"Leben und Wohnen in Hamburg
Teures Pflaster
Hannah
Bubert, 27 Jahre, ist gebürtige Hamburgerin und
Kriminalkommissars-Anwärterin bei der Polizei der Freien und Hansestadt.
Im Interview mit t@cker spricht sie darüber, wie sich ihre Heimat in
den letzten Jahren zu einem teuren Pflaster entwickelt hat, was das für
sie persönlich bedeutet und was aus ihrer Sicht passieren müsste, um die
Wohnkosten für alle Menschen, die in Hamburg leben, bezahlbar zu
gestalten.
t@cker: Moin Hannah! Wie ist’s so – das Leben und Wohnen in Hamburg?
Hannah Bubert: Hamburg
ist natürlich wundervoll! Hamburg ist eine unfassbar abwechslungsreiche
und schöne Stadt mit vielen verschiedenen Seiten, vielen Kulturen und
jeder Menge schöner Ecken und Kanten. Da ich Hamburgerin bin, bin ich
nicht nur durch den Dienst bei der Polizei an die Stadt gebunden. Meine
Familie, mein soziales Leben und alle Kontakte und Gewohnheiten sind
hier. Weg aus Hamburg zu ziehen – ist für mich keine Option.
Aber Deine Heimatstadt ist ja mittlerweile ein ganz schön teures Pflaster…
Hamburg hat die Herausforderungen, die wohl jede
große Stadt kennt. Nur noch 40 Prozent der Menschen sind „echte“
Hamburger, da so viele Menschen für Jobs und Ausbildung in die Stadt
gekommen sind und kommen. Die Stadt boomt, der Wohnraum ist knapp und
gefragt. Unbeliebte Stadtteile gibt es kaum noch. Vor ein paar Jahren
galt Wilhelmsburg, südlich der Elbe, noch als „Problemkiez“, geprägt von
Sozialwohnungen und einer hohen Dichte an Migrationshintergrund, aber
seit der Internationalen Gartenschau 2013 hat sich das auch sehr stark
verändert, und auch dort sind Wohnungen schon lange nicht mehr die
Schnäppchen auf dem Wohnungsmarkt. Die Mieten in Hamburg sind kaum
bezahlbar, nur noch sehr wenige Leute können es sich leisten, in
Vierteln wie Eimsbüttel, Eppendorf, Sternschanze oder Winterhude zu
wohnen. Auch die Kaufpreise für Wohnungen sind utopisch, das Gleiche
gilt für Wohnraum im „Speckgürtel“, der mittlerweile von der Stadtgrenze
bis 40 Kilometer weit nach Schleswig-Holstein hineinragt.
Hamburg ist
beliebt, hat viel zu bieten und steht für Lebensqualität.
Das schlägt
sich sehr in den Wohnungsmieten nieder.
WG-Zimmer für 500 Euro sind
Standard. Kaufen ist in Hamburg quasi unmöglich.
Unter einer halben
Million Euro kriegt man nichts, wo man nicht noch einmal 250.000 Euro
reinstecken müsste. Zudem ist in Hamburg ja alles teurer, das heißt, die
individuelle Kaufkraft ist nicht zu vergleichen mit der in anderen
Regionen.
Die Politik ist zwar dran, genügend bezahlbaren Wohnraum zu
schaffen, aber auch der entsteht nicht in der Innenstadt, sondern viel
außerhalb.
All das führt dazu, dass nicht nur die Wohnkosten durch die
Decke gehen, sondern auch das Verkehrsaufkommen stetig wächst.
Hamburg
ist ja ohnehin schon sehr auseinandergezogen durch die Elbe.
Die vielen,
die etwa südlich der Elbe in Harburg oder weiter außerhalb des
Verkehrsverbunds wohnen, pendeln überwiegend mit dem Auto.
Wie gestaltet sich die Suche nach einer Bleibe aktuell?
Tja, das hat teilweise schon absurde Züge…
Lange
Schlangen bei den Wohnungsbesichtigungen sind ja schon die Regel.
Die
Vermieter überbieten sich immer wieder in ihrer Dreistigkeit.
Als meine
Schwester und deren Freund nach einer Wohnung suchten, wurde ihnen am
Eingang ein Zettel in die Hand gedrückt: Sie sollten ankreuzen, welche
Möbel sie vom Vormieter übernehmen würden.
In Hamburg kann man sich das
leisten: Ranking danach, wie viel Mist man beim Nachmieter abladen kann…
Mein Freund und ich haben gerade nach Häusern zur Miete geschaut.
120
Quadratmeter in Poppenbüttel, sieben Kilometer vor der Grenze zu
Schleswig-Holstein, für 1.900 Euro im Monat. Mag okay klingen, bei uns
wäre damit aber ein ganzes Nettogehalt schon mal komplett weg. Meine
Schwester, Mutter von zwei Kindern, zieht nun auch raus aus der Stadt,
weil die Suche nach einer Wohnung, die groß genug und bezahlbar ist,
absolut aussichtslos ist. Sie kümmert sich um die Kinder, es gibt also
während dieser Zeit nur ein Gehalt für ihre Familie – eine
Konstellation, die in Hamburg kaum mehr denkbar ist, weil eine Familie
von einem Gehalt kaum leben kann.
Das Haus, das meine Schwester gekauft
hat, können sie und ihr Mann sich nur leisten, weil es ein Verkauf
innerhalb der Familie ist – zum Freundschaftspreis, sozusagen.
Wie wohnst Du?
Ich hatte in meinem Leben bis jetzt mehr Glück als
Verstand, was die Wohnungssuche angeht … Ich wohne derzeit mit meinem
Freund und zwei Katzen in Bergstedt, einem absoluten Rand-Stadtteil in
Hamburg. Wir leben dort in einem 75 Quadratmeter-Anbau bei meinem Onkel,
dem wir „nur“ rund 1.000 Euro zahlen.
Mit einem potenziellen Kind wird
das schon eng. Wir sind keine Spitzenverdiener.
Ich noch im Studium,
mein Freund ist gelernter IT-Systemelektroniker.
Zurzeit verdiene ich
1.269 Euro netto und arbeite nebenbei noch.
Mein Freund bekommt 1.800
Euro netto. Mit der U-Bahn fahren wir 34 Minuten in die Innenstadt, zur
Polizei Akademie komme ich in einer knappen Stunde.
Wäre es nicht eine Option, einfach weiter raus zu ziehen, raus aus Hamburg?
Wir möchten nicht nur für den Hausbesitz raus aus
der Stadt.
Unser Leben findet ganz überwiegend im Stadtzentrum statt,
wir gerne wieder etwas näher ans Zentrum ziehen, aber wie gesagt: Das
ist aktuell ziemlich utopisch.
Richtig akut wird das
Wohnungs-/Hausproblem natürlich, wenn wir uns familiär vergrößern wollen
– das muss man hier halt immer mitdenken.
Süderelbe, Hamburg hin oder
her, wäre für mich zum Beispiel keine Option.
Die Elbtunnel-Problematik
mit dem Verkehrsaufkommen und die Begrenzung auf die S-Bahn, die nicht
zum HVV gehört, verändern vieles und verlängern Fahrtzeiten sehr.
Mein
Freund hatte ein Haus in Fredesdorf, das ist in der Nähe von Bad
Segeberg.
Wir haben kurz über einen Umzug dorthin gedacht.
Dort fährt
fünf Mal am Tag ein Bus in das nächstgrößte Dorf.
Man ist vom Auto
abhängig, und in die Innenstadt dauert es circa 1,5 Stunden mit den
öffentlichen Verkehrsmitteln.
Ich will auf gar keinen Fall vom Auto
abhängig sein, daher ist für mich eine Bahn ein Muss, da Busse ebenfalls
im Stau stehen.
Es gibt viele Kollegen, die pendeln drei bis vier
Stunden pro Tag – das ist nichts für mich, das ist
Lebenszeitverschwendung.
Wie gesagt: Mein Lebensmittelpunkt ist in der
Stadt – soziale Kontakte sind mir wichtig, viele Projekte hier sind Teil
meines Lebens.
All das, also quasi ein sehr wichtiger Teil von mir,
würde durch einen Umzug aus Hamburg raus nicht mehr so funktionieren.
Wir haben uns für diese Situation entschieden und müssen daher die hohen
Mieten in Kauf nehmen und können halt nicht direkt in der Innenstadt
wohnen.
Zahlt Dir Dein Dienstherr was zum Wohnen dazu?
In Hamburg gibt es keine Zulage für den
Ballungsraum wie etwa für die Kolleginnen und Kollegen in München. Auch
in den USA bekommen die Staatsdiener bei Militär oder Polizei mehr
Rabatte, Unterstützungen und Zulagen. Das ist hier etwas anders. Aber ich finde, man trifft ja auch selbst die Entscheidungen in seinem Leben – so auch die, hier in Hamburg zur Polizei zu gehen.
Man hat als Polizist viele Vorteile. Das kann ich sagen, da ich ursprünglich aus der Privatwirtschaft komme. Dort kriegt man sein Gehalt, was natürlich in manchen Positionen viel höher ausfällt als bei der Behörde, und das restliche Leben ist Privatsache.
Meine Familie arbeitet im Krankenhaus und in der Pflege.
Dort gibt es ähnliche Probleme wie vielleicht bei der Polizei, außer, dass nach dem 67. Lebensjahr nur eine kleine Rente wartet und keine Pension.
Auch dort gibt es keine Unterstützung und keine Zulagen für das Leben in Hamburg.
Und sie dienen der Allgemeinheit genauso wie wir. Es gibt eine Börse bei der Polizei Hamburg für Wohnungen, was ich schon eine ganz gute Unterstützung finde.
Ich bin ein erwachsener Mensch, treffe Entscheidungen und muss mir über die Konsequenzen der Entscheidungen bewusst sein.
Ich will bei der Polizei Hamburg arbeiten, daher muss ich auch mit der Situation hier klarkommen, wo Mieten hoch sind und mein Gehalt eben ist, wie es ist.
Die, sagen wir „Beschwerdemacht“, die die Polizei hat, weil sie dem Staat an so prominenter und sichtbarer Stelle dient, gibt es in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes ja nicht einmal ansatzweise, siehe Pfleginnen und Pfleger oder Erzieherinnen und Erzieher. Es gibt viele, die verdienen weitaus weniger als wir, und die müssen unter denselben Voraussetzungen eine Wohnung finden.
Die Stadt sollte das Thema Kostenexplosion daher im Allgemeinen angehen.
Nicht nur für ihre Beschäftigten, sondern für alle, die dafür sorgen, dass die ganze Stadt funktioniert – dazu gehört jeder vom Busfahrer über die Stadtreinigung bis zum Autoverkäufer und CEO. Es muss einen Ausgleich geben, nicht nur die CEOs dürfen sich eine Wohnung mit der Familie im Innenstadtbereich leisten können."
Quelle: t@cker-story 12/2019, URL: http://www.tacker-online.de/html/story.html
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