t@cker-story 1-2/2020: So kommt das Neue in die Verwaltung
"GovLab Arnsberg
So kommt das Neue in die Verwaltung
Von Britta Ibald
Die Zukunft liegt im Sauerland. Genauer gesagt
in Arnsberg (Nordrhein-Westfalen), Sitz der Bezirksregierung, zuständig
für fast 3,6 Millionen Menschen zwischen Herne und Marsberg, Lippstadt
und Burbach. Vor zwei Jahren gründete Regierungspräsident Hans-Josef
Vogel dort das GovLab – ein Innovationslabor, das die Verwaltungsarbeit
seiner Behörde einfacher, schneller und besser machen soll. Für die
Beschäftigten, Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen. Seitdem sorgt ein
kleines junges Team mit neuen Methoden und ungewöhnlichen Ideen für
frischen Wind und legt dabei zugleich Sensibilität für die
verwaltungsspezifischen Besonderheiten und die menschliche Seite der
Modernisierung an den Tag. So kommt das Neue in die Verwaltung.
Die Dinge besser machen: Im GovLab der Bezirksregierung Arnsberg in
Nordrhein-Westfalen arbeitet seit Mai 2018 ein kleines junges Team an
der Modernisierung der Verwaltung. Motto: „Einfach loslegen.“
Hier soll sie also sein, eine Keimzelle der
Verwaltungsmodernisierung?
Eine kleine Quelle der Entbürokratisierung“?
In den offiziellen Organigrammen kaum zu finden. Gelesen und gehört hat
man ja schon von diesem GovLab Arnsberg, wo innovative junge Digital
Natives für das Neue arbeiten. Aber hier? Ernsthaft? Idyllisch liegt die
Stadt, deren Bahnhof nur vom Regionalverkehr angefahren wird, im Norden
des rheinischen Schiefergebirges.
Im Tal plätschert die Ruhr, an den
Hängen drängen sich Arnsbergs Alt- und Neustadt.
Nun denn! Hinauf geht
es den Berg zur imposanten Bezirksregierung:
Ein Sechzigerjahre-Hochhaus
aus staubfarbigem Beton, das, epochentypisch, mit seinen akkuraten
Kanten durchaus an einen Aktenordner erinnert. Drinnen aber erwartet die
Moderne ihre Gäste: Die Bezirksregierung ist modern und freundlich
eingerichtet, ein offenes, zugewandtes Haus. Vorm Fahrstuhl steht sie
dann endlich, die Avantgarde:
Florian Frey (32), Persönlicher Referent
von Regierungspräsident Hans-Josef Vogel, Antonia Steinhausen (27) und
Jona Bialowons (24) – die Macher des Arnsberger GovLab.
Hoch oben in der 10. Etage liegt das Laboratorium – ein hip
eingerichteter, dank der breiten Fensterfront lichtdurchfluteter
Besprechungsraum mit Lounge-Couch und Weitblick bis zum Horizont. „Wir
wollen Verwaltung einfacher, besser und schneller machen“, bringt
Florian Frey die Mission kurz und bündig auf den Punkt.
Mehr Konkretes
gibt es denn auch schon gar nicht im Konzept, denn:
„Wir sind offen für
alle und jedes Anliegen, das uns über den Weg läuft oder an uns
herangetragen wird“, erklärt Antonia Steinhausen die Grundidee des
Innovationslabors: „Was optimiert werden kann, wird optimiert, was
gelöst werden kann, wird gelöst.“
Raum für freies Denken und Machen
Gedacht ist das GovLab als Experimentierraum, als
Raum für freies Denken und Machen, der jedem offensteht. Nach nicht
einmal einem Jahr im Amt, im Mai 2018, rief Regierungspräsident
Hans-Josef Vogel in seiner Behörde das GovLab ins Leben.
Dockte es
sinnvollerweise an die Abteilung IT und Organisation an und erklärte es
und seine Aufgabe von Beginn an zur absoluten Chefsache. Damit war die
Priorität gesetzt:
Die Leitung will Innovation und Modernisierung. „Das
GovLab und sein Programm sind ‚vorrangiges Dienstgeschäft‘“,
unterstreicht Florian Frey, die Lab-Macher haben die „volle
Rückendeckung“ der Führungsetage.
„Das ist ein ganz wesentlicher
Grundstein des Erfolgs“, weiß Antonia Steinhausen. „Modernisierung
braucht Leadership.“
Gerade in Behördenstrukturen, die regelmäßig durch
ein besonders hohes Maß an Komplexität und Umfang in sachlicher und/oder
personeller Hinsicht geprägt sind. Insgesamt 1.800 Beschäftigte
arbeiten in den 16 Standorten der Bezirksregierung Arnsberg, die
Aufgaben sind vielfältig wie eine „Konfetti-Kanone“, so eine
mittlerweile geflügelte Umschreibung des weiten Feldes, das die
insgesamt fünf Mittelbehörden in Nordrhein-Westfalen beackern. Von
Schulbelangen über Bergbau, Energie, Gefahrenabwehr, Verkehr,
Gesundheitsdienst, Kultur, Sport und Integrationsangelegenheiten ist so
ziemlich alles vertreten, was in der öffentlichen Daseinsvorsorge Rang
und Namen hat.
Das Volumen der Fördergelder, die die Bezirksregierung
Arnsberg jährlich aus verschiedenen Programmen zu vergeben hat, beläuft
sich auf rund eine Milliarde Euro.
„Das ist eine Menge Holz“, wissen die
Innovationsmacher.
Aber von Anfang an lautete die Devise nicht Kopf in
den Sand, sondern „einfach anfangen!“ – erster Lehrsatz der modernen
agilen Methodik.
Ziel des GovLab war und ist es, innovative
Projekte der Bezirksregierung zu pilotieren und so „die Verwaltung der
Zukunft sicht- und greifbar zu machen und die Kolleginnen und Kollegen
beim Blick über den Tellerrand zu unterstützen.
So werden wir gemeinsam
immer mehr Innovatorinnen und Innovatoren, das Denken und Arbeiten
wandelt sich“, erläutert Antonia Steinhausen den Plan.
Zudem fühlen sich
die Arnsberger auch der nationalen Community für Government Innovation
verpflichtet und sind Mitglied verschiedenster Netzwerke in Deutschland,
die sich die Modernisierung der Verwaltung auf die Fahnen geschrieben
haben.
„Insofern verstehen wir uns durchaus auch als Botschafter der
Verwaltungsinnovation und setzen auf die Strahlkraft unserer Erfolge
nach außen“, macht Florian Frey deutlich.
Kleine schnelle Schritte sichern den Erfolg
Workshops, Werkstätten, Mikro-Fortbildungen – so
lauten die derzeit gängigsten Formate der Innovationsmacher. Jona
Bialowons erläutert die Prämissen, unter denen jedes Innovationsprojekt
in Arnsberg angegangen wird. Es muss einfacher werden.
Moderne
Verwaltungsabläufe müssen mit „weniger Prozessschritten auskommen, eine
einfache, leicht verständliche Sprache nutzen und gute, leicht
bedienbare Software einsetzen, mit der auch Nicht-Nerds klarkommen“.
Am
anderen Ende helfe das dann natürlich auch den Bürgerinnen und Bürgern,
betont Bialowons. „Wir müssen außerdem besser werden – Mittel gezielter
einsetzen, das Bestmögliche schaffen. Deswegen brauchen wir eine
Qualitätskontrolle, müssen immer wieder beobachten und bewerten, ob wir
das, was wir uns als Verwaltung vornehmen, auch tatsächlich schaffen.“
Und die mit Sicherheit größte Herausforderung: das Tempo. Genau,
gründlich, sorgfältig geht es zu in deutschen Ämtern – denn schließlich
muss alles rechtsfest sein, „das ist ja quasi die DNA des öffentlichen
Dienstes“, weiß Volljurist Florian Frey, „und das ist in einem
Rechtsstaat auch völlig legitim und obligatorisch“.
Gleichwohl sind sich
die Arnsberger Innovatoren sicher, dass es auch hier Lösungen für eine
schnellere Abwicklung gibt. Beispielsweise, indem man mehrere
Prozessbeteiligte von Beginn an gleichzeitig einbezieht anstatt die
Sache wie gehabt nacheinander alle inhaltlichen und hierarchischen
Entscheidungskaskaden durchwandern zu lassen.
„In einem Workshop haben
wir zum Beispiel, um unsere Stellenausschreibungen zu optimieren, auch
Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte von Anfang an mit an den
Tisch geholt. So konnten alle aktiv mitwirken, ihre Perspektive
einbringen, und am Ende – wohlgemerkt binnen eines Vormittags – hatten
wir ein von allen mitgetragenes Ergebnis. Kurze Dienstwege, gerade zu
unseren Kolleginnen und Kollegen aus der IT-Abteilung, sind da oft von
enormer Bedeutung.“, beschreibt Florian Frey die Methode. Mittlerweile
haben er und seine Kollegen bereits viele solcher Beispiele, die Schule
machen können und sollen.
Workshops, Werkstätten und digitales Wissensmanagement
Der messbaren Steigerung von Mitarbeitenden- und
Kundenzufriedenheit diente etwa die Entwicklung eines Chatbots für die
Website eines Förderprogramms, der wichtige und häufige Fragen rund um
die Förderung automatisch digital beantwortet.
Sechs Tage lang rauchten
im GovLab-Workshop dazu die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen, dann
stand das nach Design-Thinking-Methoden entwickelte, Ergebnis, drei
Monate wurde programmiert und getestet, dann war der Bot landesweit
einsatzfähig. Kosten: 60 Euro. Nutzen: Win-Win für alle Beteiligten –
die Antragsteller finden leichter Antworten auf ihre Fragen, die
Sachbearbeitenden haben mehr Zeit für die Bearbeitung, weil
zwischendurch nicht immer das Telefon klingelt oder E-Mails auflaufen,
um eben jene Fragen zu klären. „Es ist wichtig, dass Prozess und
Ergebnis in einem für alle Teilnehmenden engen zeitlichen und räumlichen
Zusammenhang stehen“, sagt Antonia Steinhausen. „Kleine schnelle
Schritte sichern den Erfolg, nicht das allumfassende Großprojekt, das
sich über Jahre hinzieht, von dem am Ende niemand mehr weiß, wo es
eigentlich herkommt und das im schlimmsten Fall zu keinem Ergebnis
führt.“
Es müsse auch nie die 100-prozentige Lösung sein, ergänzt
Kollege Jona Bialowons.
Auch das sei eine für Innovationen erforderliche
Erkenntnis: „Man muss sich erstmal auf den Weg machen, das ist
entscheidend. Wenn es dann erstmal nur zu 80 Prozent hinhaut – auch
okay, der Rest kommt meistens von ganz alleine.“
Und Florian Frey
ergänzt: „Wir dürfen hier auch Fehler machen, das ist ganz offen
kommuniziert. Denn auch aus Fehlern lernen wir sehr viel, insofern ist
da nichts verloren.“ Solch eine neue Sicht auf die Dinge müsse natürlich
auch „von ganz oben“ gedeckt sein – „aber darauf können wir uns
zumindest hier verlassen“, weiß das GovLab-Team.
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Neue Methoden, neues
Denken: In Workshops, Werkstätten und Mikro-Fortbildungen erarbeitet das
GovLab gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen Lösungen und
Innovationen, informiert über agiles Arbeiten – zum Beispiel am
Kanban-Board, das als transparenter Leitfaden für Projekte dient. |
Rund 70 Workshops und Werkstätten aus den
Themenfeldern Kollaboration (Arbeitsmethoden), Digitalisierung
(Office-Anwendungen), Daten (smarte Tabellen und Listen) und Service
(Kundenorientierung und -zufriedenheit, Prozessoptimierung) sind mit
Hilfe des GovLab-Teams mittlerweile erfolgreich gelaufen.
Dazu zählen
auch, je nach Bedarf, Mikro-Fortbildungen: „Wenn wir sehen, dass es für
viele Kolleginnen und Kollegen Sinn macht, das Instrument Serienbrief
einzusetzen, aber viele gar nicht wissen wie das funktioniert,
vermitteln wir eben genau dieses Wissen“, erklärt Antonia Steinhausen.
Gleiches gelte etwa für das Programm Excel – „viele kennen die
Möglichkeiten gar nicht, die es da gibt, also zeigen wir das – Motto:
Verwaltung programmiert selbst.“ So wurde mit Hilfe des GovLab der
Bußgeldbescheid-Versand für Schulschwänzer optimiert: Mussten früher aus
mehreren Tabellen Daten extrahiert und mit Textbausteinen zu Bescheiden
verknüpft werden, haben die Sachbearbeitenden heute eine umfassende
Excel-Tabelle, programmiert mit Visual Basic, aus der mit wenigen Klicks
Bescheide generiert werden können.
„Vier Tage Investition, aber eine
dauerhafte riesige Arbeitsersparnis“, resümiert Antonia Steinhausen.
Auch das interne Wissensmanagement wird vom GovLab
permanent optimiert.
Im Fokus stehen vor allem digitale
Fortbildungsformate wie Video-Tutorials zu verschiedensten Themen, die
im Intranet zur Verfügung stehen.
„Vor allem Verwaltungsneulingen helfen
wir damit schnell und effektiv auf die Sprünge – wer weiß schon, was
genau ein Sichtvermerk ist?“, erklärt Jona Bialowons.
Nach und nach
füllt sich auch der Intranet-Katalog, in dem neue Werkzeuge für agiles
Arbeiten gelistet sind, die sich die Mitarbeitenden beim GovLab
ausleihen können:
Land- und Seekarten zur Sichtbarmachung der eigenen
Position, des Ziels und des Wegs dorthin, Karten zur Erstellung einer
Delegations-Struktur, Motivationskarten und vieles mehr sind im
Repertoire. Ihr Know-how haben sich die Innovationsmacher – neben Jurist
Frey ist Steinhausen gelernte Verwaltungswirtin, Bialowons
Regierungsinspektor – überwiegend angelesen, besuchen aber auch
regelmäßig Fortbildungen und Multiplikatoren-Schulungen. Die
GovLab-Macher verstehen sich in erster Linie als Betreuer und Berater,
als Moderatoren, die der Modernisierung und Verbesserung quer durch alle
Fachbereiche den Weg ebnen.
Wissensmanagement und Werkzeuge: Im Intranet bietet das GovLab
Video-Tutorials, beispielsweise für das Thema „Sichtvermerk“, und Tools
für Teams und Meetings an – etwa Land- und Seekarten, anhand derer man
die eigene Position ausloten und den Weg zum Ziel skizzieren kann.
Nicht abgehoben, sondern mittendrin
„Ganz wichtig ist uns die Botschaft: Wir geben
Hilfe zur Selbsthilfe.
Wir sind keine unmittelbaren Dienstleister für
Lösungen. Das heißt, niemand kann hier bei uns ein Problem abladen und
sagen ‚macht mal‘, sondern alle müssen an der Lösung mitarbeiten. Nur
durch das Erleben dieser Selbstwirksamkeit bekommen wir die breite
Akzeptanz und den nachhaltigen Innovationsantrieb, den wir für die
Modernisierung brauchen“, erklärt Antonia Steinhausen. Es mache großen
Spaß zu beobachten, dass es nicht immer nur die „Digital Natives“ seien,
die Neuerungen einbrächten, berichtet Florian Frey. „Wenn die älteren
Kolleginnen und Kollegen erstmal Feuer gefangen haben und die
Möglichkeiten begreifen, die ihnen etwa digitale Lösungen bieten,
sprudeln die Ideen nur so aus ihnen heraus.“ Und so wird deutlich, dass
das GovLab viel mehr als eine Digitalisierungsmaschine ist und sein will
– „Digitalisierung ist auf dem Weg in eine moderne Verwaltung nur
Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck.
Es geht darum, den Menschen
aufzuzeigen, wie moderne Methoden und Techniken ihre Arbeit leichter und
besser machen können – und das ist allen vermittelbar, auch den
Skeptikern“, betont Antonia Steinhausen. Gefahr, die Bodenhaftung zur
Praxis zu verlieren, laufen die Innovationsmacher des Arnsberger GovLab
übrigens auch nicht:
Antonia Steinhausen und Jona Bialowons sind nur mit
jeweils einer halben Stelle im und für das GovLab tätig – den Rest
ihrer Arbeitszeit sind sie auf ihren Posten im Büro des
Regierungspräsidenten. „Das hilft auch in der Wahrnehmung der anderen“,
sagt Steinhausen: „Wir im Lab sind nicht abgehoben, sondern mittendrin.“
Und, so lernen wir in Arnsberg: Genau dieses Mittendrin ist es, was
entscheidend ist für den Erfolg von Verwaltungsmodernisierung und
Entbürokratisierung:
Innovation braucht keine (vermeintlich) hippen
Metropolen, Start-ups, Nerds, teure externe Consultants und dergleichen
mehr – alles, was es braucht, sind offene Denk- und Handlungsräume,
Experimentierfelder, Rückendeckung und viele engagierte offene Menschen,
die die Dinge besser für alle gestalten wollen.
So kommt das Neue in
die Verwaltung. Überall.
„Langweilige Arbeitsplätze sind nicht mehr konkurrenzfähig“
Regierungspräsident Hans-Josef Vogel warnt: „Wenn wir unsere
Verwaltung nicht endlich auf den Stand der Technik bringen, wenn wir
die berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an Verwaltung in
einem modernen Staat nicht erfüllen, schaden wir der Demokratie.“
t@cker: Herr
Vogel, als „kleine, aber spannende und vor allem eigene Kreation“ haben
Sie das Innovationslabor im Mai 2018 eröffnet. Seitdem wirbelt das
GovLab-Team Ihre Bezirksverwaltung ordentlich herum. Wie würden Sie eine
kurze Zwischenbilanz formulieren?
Hans-Josef Vogel:
Die Idee hinter dem GovLab ist aufgegangen: „Einfach anfangen.“ Einfach
im dreifachen Sinne: Mit (1.) kleinen „einfachen Projekten“, die sofort
das Verwaltungsleben unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (2.)
einfacher machen und (3.) ohne Rücksicht auf die bestehenden und die
Digitalität der Verwaltung einschränkenden oder verhindernden Regelwerke
der analogen Vergangenheit.
Darüber hinaus haben wir mit anderen
Behörden und Unternehmen ein Netzwerk geschaffen, das immer wieder bei
Fragen und Problemen hilft, indem es verschiedene Expertisen
zusammenführt.
t@cker: Also
empfehlen Sie das Modell „Innovation aus eigener Kraft“ auch anderen
Verwaltungseinheiten weiter? Welche Vorteile bietet das – man könnte ja
auch eines dieser externen Beratungsunternehmen anheuern …
Hans-Josef Vogel: Ja.
Ob das nun ein Labor ist oder nicht.
Es geht zuallererst darum,
Freiräume in der Verwaltung zu schaffen, um selbst etwas auszuprobieren
jenseits der Regeln aus einer überholten Vergangenheit, die Kreativität
und Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bremsen und
verhindern.
Mit der Folge meist langweiliger Arbeitsplätze, die nicht
mehr konkurrenzfähig sind.
Es geht quasi beim „Eigenlabor“ um eine
institutionelle Experimentierklausel.
Wobei wir ja schon vorher wissen,
dass die „Experimente“ erfolgreich sind.
Aber so überzeugen wir die, die
Antworten zugeneigt sind, die schon in der Vergangenheit gescheitert
sind – Datenschutzbeauftragte oder Beschaffungsabteilungen der alten
Zeit.
t@cker: Ließe
sich das GovLab Ihrer Meinung und Erfahrung nach auf alle
Organisationsgrößen im öffentlichen Dienst übertragen?
Auf Bundesebene
herrscht ja derzeit das reinste Kunterbunt in Sachen Digitalisierung –
braucht es da nicht eine zentrale Einheit aus den eigenen Reihen, die
die Verhältnisse kennt und weiß, wo anzusetzen ist?
Hans-Josef Vogel:
Ja. Organisationsgrößen sind hier nicht entscheidend.
Zur Bundesebene:
Führung, Organisation und Ressourcen sind hier die Kernpunkte.
Ob das
dann alles in einem Digitalministerium organisiert werden muss, ist eher
nebensächlich, denn auch das wird – ohne richtige Führung, Organisation
und Ressourcen – nicht erfolgreich arbeiten können. Die Esten haben
diese drei Prinzipien in ihrem Land und entsprechend ihres politischen
Systems umgesetzt. In Deutschland kann eine solche Organisation nicht
einfach kopiert werden – sie sollte aber alle drei Prinzipien abdecken.
Im Übrigen: Wir fokussieren uns zurzeit viel zu stark auf den Bund.
Viele der neuen Digital- und Technologiethemen sind auf Landes- und
Kommunalebene angesiedelt – Energie, Mobilität, Sicherheit,
Bürgerdienste. Die Länder sollten sich idealerweise so digital
transformieren, dass auch die Interoperabilität von neuen Prozessen
zwischen den Ländern und dem Bund gegeben ist.
Der Föderalismus stellt
uns hier vor eine zusätzliche Herausforderung, kann dies aber bei
entsprechender Reform problemlos ändern.
t@cker: Digitalisierung
und agile Arbeitsmethoden sollen die Verwaltung einfacher, schneller,
besser machen – und anschließend sparen Sie die Hälfte Ihres Personals
ein? Ganz ehrlich: Spielt eine solche Zielsetzung auch eine Rolle in
Ihren Überlegungen, wie es böse Zungen ja immer mal wieder unterstellen?
Hans-Josef Vogel: Zur
Digitalisierung gehört auch die Automatisierung.
Damit könnten
zumindest potentiell auch Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung
bedroht sein. Ich halte diese Angst für unbegründet. Eine einfache
Antwort wäre, auf den extrem hohen arbeitsrechtlichen Schutz zu
verweisen, den wir als Angestellte und Beamt*innen im öffentlichen
Dienst genießen. Dieser Schutz ist Teil unserer Staatstradition. Aber
das ist nicht der eigentliche Punkt. Automatisierung wird uns
ermöglichen, endlich das zu tun, was Maschinen mit ihren programmierten
Routinen nicht können.
Wir Menschen verstehen, was Menschen wollen und
brauchen, und wir können uns als soziale Wesen in unserer Rolle endlich
um die wirklich wichtigen Belange von Bürgerinnen und Bürgern, von
Betrieben und Unternehmen und auch unser eigenen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter kümmern, die uns kein Computer abnehmen kann. Keine Sorge.
Uns geht die sinnvolle Arbeit nicht aus. Digitalisierung eröffnet uns
die Chance, sie endlich menschlich und effektiv anzupacken. Und noch ein
Gedanke: Wenn wir unsere Verwaltung nicht endlich auf den Stand der
Technik bringen, wenn wir die berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen
und Bürger an Verwaltung in einem modernen Staat nicht erfüllen, schaden
wir der Demokratie. Umgekehrt gilt: Je besser Verwaltung wird, desto
mehr Vertrauen haben Bürgerinnen und Bürger in unseren Staat und in
unsere Demokratie.
Diesem Anspruch müssen wir uns stellen. Deshalb haben
wir uns irgendwann entschieden, einen Beruf im öffentlichen Dienst zu
ergreifen. Deshalb dienen wir dem Staat, dem demokratischen
freiheitlichen Rechtsstaat und seinen Bürgerinnen und Bürgern."
Quelle: t@cker-story 1-2/2020, S. 8-12.