Donnerstag, 30. Januar 2020

t@cker-story 1-2/2020: So kommt das Neue in die Verwaltung

t@cker-story 1-2/2020: So kommt das Neue in die Verwaltung

"GovLab Arnsberg
So kommt das Neue in die Verwaltung


Von Britta Ibald

Die Zukunft liegt im Sauerland. Genauer gesagt in Arnsberg (Nordrhein-Westfalen), Sitz der Bezirksregierung, zuständig für fast 3,6 Millionen Menschen zwischen Herne und Marsberg, Lippstadt und Burbach. Vor zwei Jahren gründete Regierungspräsident Hans-Josef Vogel dort das GovLab – ein Innovationslabor, das die Verwaltungsarbeit seiner Behörde einfacher, schneller und besser machen soll. Für die Beschäftigten, Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen. Seitdem sorgt ein kleines junges Team mit neuen Methoden und ungewöhnlichen Ideen für frischen Wind und legt dabei zugleich Sensibilität für die verwaltungsspezifischen Besonderheiten und die menschliche Seite der Modernisierung an den Tag. So kommt das Neue in die Verwaltung.
Die Dinge besser machen: Im GovLab der Bezirksregierung Arnsberg in Nordrhein-Westfalen arbeitet seit Mai 2018 ein kleines junges Team an der Modernisierung der Verwaltung. Motto: „Einfach loslegen.“
Hier soll sie also sein, eine Keimzelle der Verwaltungsmodernisierung? 
Eine kleine Quelle der Entbürokratisierung“? 
In den offiziellen Organigrammen kaum zu finden. Gelesen und gehört hat man ja schon von diesem GovLab Arnsberg, wo innovative junge Digital Natives für das Neue arbeiten. Aber hier? Ernsthaft? Idyllisch liegt die Stadt, deren Bahnhof nur vom Regionalverkehr angefahren wird, im Norden des rheinischen Schiefergebirges. 
Im Tal plätschert die Ruhr, an den Hängen drängen sich Arnsbergs Alt- und Neustadt. 
Nun denn! Hinauf geht es den Berg zur imposanten Bezirksregierung: 
Ein Sechzigerjahre-Hochhaus aus staubfarbigem Beton, das, epochentypisch, mit seinen akkuraten Kanten durchaus an einen Aktenordner erinnert. Drinnen aber erwartet die Moderne ihre Gäste: Die Bezirksregierung ist modern und freundlich eingerichtet, ein offenes, zugewandtes Haus. Vorm Fahrstuhl steht sie dann endlich, die Avantgarde: 
Florian Frey (32), Persönlicher Referent von Regierungspräsident Hans-Josef Vogel, Antonia Steinhausen (27) und Jona Bialowons (24) – die Macher des Arnsberger GovLab.
Hoch oben in der 10. Etage liegt das Laboratorium – ein hip eingerichteter, dank der breiten Fensterfront lichtdurchfluteter Besprechungsraum mit Lounge-Couch und Weitblick bis zum Horizont. „Wir wollen Verwaltung einfacher, besser und schneller machen“, bringt Florian Frey die Mission kurz und bündig auf den Punkt. 
Mehr Konkretes gibt es denn auch schon gar nicht im Konzept, denn: 
„Wir sind offen für alle und jedes Anliegen, das uns über den Weg läuft oder an uns herangetragen wird“, erklärt Antonia Steinhausen die Grundidee des Innovationslabors: „Was optimiert werden kann, wird optimiert, was gelöst werden kann, wird gelöst.“

Raum für freies Denken und Machen
Gedacht ist das GovLab als Experimentierraum, als Raum für freies Denken und Machen, der jedem offensteht. Nach nicht einmal einem Jahr im Amt, im Mai 2018, rief Regierungspräsident Hans-Josef Vogel in seiner Behörde das GovLab ins Leben. 
Dockte es sinnvollerweise an die Abteilung IT und Organisation an und erklärte es und seine Aufgabe von Beginn an zur absoluten Chefsache. Damit war die Priorität gesetzt: 
Die Leitung will Innovation und Modernisierung. „Das GovLab und sein Programm sind ‚vorrangiges Dienstgeschäft‘“, unterstreicht Florian Frey, die Lab-Macher haben die „volle Rückendeckung“ der Führungsetage. 
„Das ist ein ganz wesentlicher Grundstein des Erfolgs“, weiß Antonia Steinhausen. „Modernisierung braucht Leadership.“ 
Gerade in Behördenstrukturen, die regelmäßig durch ein besonders hohes Maß an Komplexität und Umfang in sachlicher und/oder personeller Hinsicht geprägt sind. Insgesamt 1.800 Beschäftigte arbeiten in den 16 Standorten der Bezirksregierung Arnsberg, die Aufgaben sind vielfältig wie eine „Konfetti-Kanone“, so eine mittlerweile geflügelte Umschreibung des weiten Feldes, das die insgesamt fünf Mittelbehörden in Nordrhein-Westfalen beackern. Von Schulbelangen über Bergbau, Energie, Gefahrenabwehr, Verkehr, Gesundheitsdienst, Kultur, Sport und Integrationsangelegenheiten ist so ziemlich alles vertreten, was in der öffentlichen Daseinsvorsorge Rang und Namen hat. 
Das Volumen der Fördergelder, die die Bezirksregierung Arnsberg jährlich aus verschiedenen Programmen zu vergeben hat, beläuft sich auf rund eine Milliarde Euro. 
„Das ist eine Menge Holz“, wissen die Innovationsmacher. 
Aber von Anfang an lautete die Devise nicht Kopf in den Sand, sondern „einfach anfangen!“ – erster Lehrsatz der modernen agilen Methodik.

Ziel des GovLab war und ist es, innovative Projekte der Bezirksregierung zu pilotieren und so „die Verwaltung der Zukunft sicht- und greifbar zu machen und die Kolleginnen und Kollegen beim Blick über den Tellerrand zu unterstützen. 
So werden wir gemeinsam immer mehr Innovatorinnen und Innovatoren, das Denken und Arbeiten wandelt sich“, erläutert Antonia Steinhausen den Plan. 
Zudem fühlen sich die Arnsberger auch der nationalen Community für Government Innovation verpflichtet und sind Mitglied verschiedenster Netzwerke in Deutschland, die sich die Modernisierung der Verwaltung auf die Fahnen geschrieben haben. 
„Insofern verstehen wir uns durchaus auch als Botschafter der Verwaltungsinnovation und setzen auf die Strahlkraft unserer Erfolge nach außen“, macht Florian Frey deutlich.

Kleine schnelle Schritte sichern den Erfolg
Workshops, Werkstätten, Mikro-Fortbildungen – so lauten die derzeit gängigsten Formate der Innovationsmacher. Jona Bialowons erläutert die Prämissen, unter denen jedes Innovationsprojekt in Arnsberg angegangen wird. Es muss einfacher werden. 
Moderne Verwaltungsabläufe müssen mit „weniger Prozessschritten auskommen, eine einfache, leicht verständliche Sprache nutzen und gute, leicht bedienbare Software einsetzen, mit der auch Nicht-Nerds klarkommen“. 
Am anderen Ende helfe das dann natürlich auch den Bürgerinnen und Bürgern, betont Bialowons. „Wir müssen außerdem besser werden – Mittel gezielter einsetzen, das Bestmögliche schaffen. Deswegen brauchen wir eine Qualitätskontrolle, müssen immer wieder beobachten und bewerten, ob wir das, was wir uns als Verwaltung vornehmen, auch tatsächlich schaffen.“ Und die mit Sicherheit größte Herausforderung: das Tempo. Genau, gründlich, sorgfältig geht es zu in deutschen Ämtern – denn schließlich muss alles rechtsfest sein, „das ist ja quasi die DNA des öffentlichen Dienstes“, weiß Volljurist Florian Frey, „und das ist in einem Rechtsstaat auch völlig legitim und obligatorisch“. 
Gleichwohl sind sich die Arnsberger Innovatoren sicher, dass es auch hier Lösungen für eine schnellere Abwicklung gibt. Beispielsweise, indem man mehrere Prozessbeteiligte von Beginn an gleichzeitig einbezieht anstatt die Sache wie gehabt nacheinander alle inhaltlichen und hierarchischen Entscheidungskaskaden durchwandern zu lassen. 
„In einem Workshop haben wir zum Beispiel, um unsere Stellenausschreibungen zu optimieren, auch Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte von Anfang an mit an den Tisch geholt. So konnten alle aktiv mitwirken, ihre Perspektive einbringen, und am Ende – wohlgemerkt binnen eines Vormittags – hatten wir ein von allen mitgetragenes Ergebnis. Kurze Dienstwege, gerade zu unseren Kolleginnen und Kollegen aus der IT-Abteilung, sind da oft von enormer Bedeutung.“, beschreibt Florian Frey die Methode. Mittlerweile haben er und seine Kollegen bereits viele solcher Beispiele, die Schule machen können und sollen.






Workshops, Werkstätten und digitales Wissensmanagement
Der messbaren Steigerung von Mitarbeitenden- und Kundenzufriedenheit diente etwa die Entwicklung eines Chatbots für die Website eines Förderprogramms, der wichtige und häufige Fragen rund um die Förderung automatisch digital beantwortet. 
Sechs Tage lang rauchten im GovLab-Workshop dazu die Köpfe der Kolleginnen und Kollegen, dann stand das nach Design-Thinking-Methoden entwickelte, Ergebnis, drei Monate wurde programmiert und getestet, dann war der Bot landesweit einsatzfähig. Kosten: 60 Euro. Nutzen: Win-Win für alle Beteiligten – die Antragsteller finden leichter Antworten auf ihre Fragen, die Sachbearbeitenden haben mehr Zeit für die Bearbeitung, weil zwischendurch nicht immer das Telefon klingelt oder E-Mails auflaufen, um eben jene Fragen zu klären. „Es ist wichtig, dass Prozess und Ergebnis in einem für alle Teilnehmenden engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen“, sagt Antonia Steinhausen. „Kleine schnelle Schritte sichern den Erfolg, nicht das allumfassende Großprojekt, das sich über Jahre hinzieht, von dem am Ende niemand mehr weiß, wo es eigentlich herkommt und das im schlimmsten Fall zu keinem Ergebnis führt.“ 
Es müsse auch nie die 100-prozentige Lösung sein, ergänzt Kollege Jona Bialowons. 
Auch das sei eine für Innovationen erforderliche Erkenntnis: „Man muss sich erstmal auf den Weg machen, das ist entscheidend. Wenn es dann erstmal nur zu 80 Prozent hinhaut – auch okay, der Rest kommt meistens von ganz alleine.“ 
Und Florian Frey ergänzt: „Wir dürfen hier auch Fehler machen, das ist ganz offen kommuniziert. Denn auch aus Fehlern lernen wir sehr viel, insofern ist da nichts verloren.“ Solch eine neue Sicht auf die Dinge müsse natürlich auch „von ganz oben“ gedeckt sein – „aber darauf können wir uns zumindest hier verlassen“, weiß das GovLab-Team.









Neue Methoden, neues Denken: In Workshops, Werkstätten und Mikro-Fortbildungen erarbeitet das GovLab gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen Lösungen und Innovationen, informiert über agiles Arbeiten – zum Beispiel am Kanban-Board, das als transparenter Leitfaden für Projekte dient.
Rund 70 Workshops und Werkstätten aus den Themenfeldern Kollaboration (Arbeitsmethoden), Digitalisierung (Office-Anwendungen), Daten (smarte Tabellen und Listen) und Service (Kundenorientierung und -zufriedenheit, Prozessoptimierung) sind mit Hilfe des GovLab-Teams mittlerweile erfolgreich gelaufen. 
Dazu zählen auch, je nach Bedarf, Mikro-Fortbildungen: „Wenn wir sehen, dass es für viele Kolleginnen und Kollegen Sinn macht, das Instrument Serienbrief einzusetzen, aber viele gar nicht wissen wie das funktioniert, vermitteln wir eben genau dieses Wissen“, erklärt Antonia Steinhausen. Gleiches gelte etwa für das Programm Excel – „viele kennen die Möglichkeiten gar nicht, die es da gibt, also zeigen wir das – Motto: 
Verwaltung programmiert selbst.“ So wurde mit Hilfe des GovLab der Bußgeldbescheid-Versand für Schulschwänzer optimiert: Mussten früher aus mehreren Tabellen Daten extrahiert und mit Textbausteinen zu Bescheiden verknüpft werden, haben die Sachbearbeitenden heute eine umfassende Excel-Tabelle, programmiert mit Visual Basic, aus der mit wenigen Klicks Bescheide generiert werden können. 
„Vier Tage Investition, aber eine dauerhafte riesige Arbeitsersparnis“, resümiert Antonia Steinhausen.
Auch das interne Wissensmanagement wird vom GovLab permanent optimiert. 
Im Fokus stehen vor allem digitale Fortbildungsformate wie Video-Tutorials zu verschiedensten Themen, die im Intranet zur Verfügung stehen. 
„Vor allem Verwaltungsneulingen helfen wir damit schnell und effektiv auf die Sprünge – wer weiß schon, was genau ein Sichtvermerk ist?“, erklärt Jona Bialowons. 
Nach und nach füllt sich auch der Intranet-Katalog, in dem neue Werkzeuge für agiles Arbeiten gelistet sind, die sich die Mitarbeitenden beim GovLab ausleihen können: 
Land- und Seekarten zur Sichtbarmachung der eigenen Position, des Ziels und des Wegs dorthin, Karten zur Erstellung einer Delegations-Struktur, Motivationskarten und vieles mehr sind im Repertoire. Ihr Know-how haben sich die Innovationsmacher – neben Jurist Frey ist Steinhausen gelernte Verwaltungswirtin, Bialowons Regierungsinspektor – überwiegend angelesen, besuchen aber auch regelmäßig Fortbildungen und Multiplikatoren-Schulungen. Die GovLab-Macher verstehen sich in erster Linie als Betreuer und Berater, als Moderatoren, die der Modernisierung und Verbesserung quer durch alle Fachbereiche den Weg ebnen.
Wissensmanagement und Werkzeuge: Im Intranet bietet das GovLab Video-Tutorials, beispielsweise für das Thema „Sichtvermerk“, und Tools für Teams und Meetings an – etwa Land- und Seekarten, anhand derer man die eigene Position ausloten und den Weg zum Ziel skizzieren kann. 
Nicht abgehoben, sondern mittendrin
„Ganz wichtig ist uns die Botschaft: Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe. 
Wir sind keine unmittelbaren Dienstleister für Lösungen. Das heißt, niemand kann hier bei uns ein Problem abladen und sagen ‚macht mal‘, sondern alle müssen an der Lösung mitarbeiten. Nur durch das Erleben dieser Selbstwirksamkeit bekommen wir die breite Akzeptanz und den nachhaltigen Innovationsantrieb, den wir für die Modernisierung brauchen“, erklärt Antonia Steinhausen. Es mache großen Spaß zu beobachten, dass es nicht immer nur die „Digital Natives“ seien, die Neuerungen einbrächten, berichtet Florian Frey. „Wenn die älteren Kolleginnen und Kollegen erstmal Feuer gefangen haben und die Möglichkeiten begreifen, die ihnen etwa digitale Lösungen bieten, sprudeln die Ideen nur so aus ihnen heraus.“ Und so wird deutlich, dass das GovLab viel mehr als eine Digitalisierungsmaschine ist und sein will – „Digitalisierung ist auf dem Weg in eine moderne Verwaltung nur Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. 
Es geht darum, den Menschen aufzuzeigen, wie moderne Methoden und Techniken ihre Arbeit leichter und besser machen können – und das ist allen vermittelbar, auch den Skeptikern“, betont Antonia Steinhausen. Gefahr, die Bodenhaftung zur Praxis zu verlieren, laufen die Innovationsmacher des Arnsberger GovLab übrigens auch nicht: 
Antonia Steinhausen und Jona Bialowons sind nur mit jeweils einer halben Stelle im und für das GovLab tätig – den Rest ihrer Arbeitszeit sind sie auf ihren Posten im Büro des Regierungspräsidenten. „Das hilft auch in der Wahrnehmung der anderen“, sagt Steinhausen: „Wir im Lab sind nicht abgehoben, sondern mittendrin.“ 
Und, so lernen wir in Arnsberg: Genau dieses Mittendrin ist es, was entscheidend ist für den Erfolg von Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung: 
Innovation braucht keine (vermeintlich) hippen Metropolen, Start-ups, Nerds, teure externe Consultants und dergleichen mehr – alles, was es braucht, sind offene Denk- und Handlungsräume, Experimentierfelder, Rückendeckung und viele engagierte offene Menschen, die die Dinge besser für alle gestalten wollen. 
So kommt das Neue in die Verwaltung. Überall.
Hier geht’s zum GovLab Arnsberg "

Nachgefragt bei Arnsbergs Regierungspräsident Hans-Josef Vogel
„Langweilige Arbeitsplätze sind nicht mehr konkurrenzfähig“

Regierungspräsident Hans-Josef Vogel warnt: „Wenn wir unsere Verwaltung nicht endlich auf den Stand der Technik bringen, wenn wir die berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an Verwaltung in einem modernen Staat nicht erfüllen, schaden wir der Demokratie.“
t@cker: Herr Vogel, als „kleine, aber spannende und vor allem eigene Kreation“ haben Sie das Innovationslabor im Mai 2018 eröffnet. Seitdem wirbelt das GovLab-Team Ihre Bezirksverwaltung ordentlich herum. Wie würden Sie eine kurze Zwischenbilanz formulieren?
Hans-Josef Vogel: Die Idee hinter dem GovLab ist aufgegangen: „Einfach anfangen.“ Einfach im dreifachen Sinne: Mit (1.) kleinen „einfachen Projekten“, die sofort das Verwaltungsleben unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (2.) einfacher machen und (3.) ohne Rücksicht auf die bestehenden und die Digitalität der Verwaltung einschränkenden oder verhindernden Regelwerke der analogen Vergangenheit. 
Darüber hinaus haben wir mit anderen Behörden und Unternehmen ein Netzwerk geschaffen, das immer wieder bei Fragen und Problemen hilft, indem es verschiedene Expertisen zusammenführt.
t@cker: Also empfehlen Sie das Modell „Innovation aus eigener Kraft“ auch anderen Verwaltungseinheiten weiter? Welche Vorteile bietet das – man könnte ja auch eines dieser externen Beratungsunternehmen anheuern …
Hans-Josef Vogel: Ja. Ob das nun ein Labor ist oder nicht. 
Es geht zuallererst darum, Freiräume in der Verwaltung zu schaffen, um selbst etwas auszuprobieren jenseits der Regeln aus einer überholten Vergangenheit, die Kreativität und Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bremsen und verhindern. 
Mit der Folge meist langweiliger Arbeitsplätze, die nicht mehr konkurrenzfähig sind. 
Es geht quasi beim „Eigenlabor“ um eine institutionelle Experimentierklausel. 
Wobei wir ja schon vorher wissen, dass die „Experimente“ erfolgreich sind. 
Aber so überzeugen wir die, die Antworten zugeneigt sind, die schon in der Vergangenheit gescheitert sind – Datenschutzbeauftragte oder Beschaffungsabteilungen der alten Zeit.
t@cker: Ließe sich das GovLab Ihrer Meinung und Erfahrung nach auf alle Organisationsgrößen im öffentlichen Dienst übertragen? 
Auf Bundesebene herrscht ja derzeit das reinste Kunterbunt in Sachen Digitalisierung – braucht es da nicht eine zentrale Einheit aus den eigenen Reihen, die die Verhältnisse kennt und weiß, wo anzusetzen ist?
Hans-Josef Vogel: Ja. Organisationsgrößen sind hier nicht entscheidend. 
Zur Bundesebene: Führung, Organisation und Ressourcen sind hier die Kernpunkte. 
Ob das dann alles in einem Digitalministerium organisiert werden muss, ist eher nebensächlich, denn auch das wird – ohne richtige Führung, Organisation und Ressourcen – nicht erfolgreich arbeiten können. Die Esten haben diese drei Prinzipien in ihrem Land und entsprechend ihres politischen Systems umgesetzt. In Deutschland kann eine solche Organisation nicht einfach kopiert werden – sie sollte aber alle drei Prinzipien abdecken. 
Im Übrigen: Wir fokussieren uns zurzeit viel zu stark auf den Bund. Viele der neuen Digital- und Technologiethemen sind auf Landes- und Kommunalebene angesiedelt – Energie, Mobilität, Sicherheit, Bürgerdienste. Die Länder sollten sich idealerweise so digital transformieren, dass auch die Interoperabilität von neuen Prozessen zwischen den Ländern und dem Bund gegeben ist.
Der Föderalismus stellt uns hier vor eine zusätzliche Herausforderung, kann dies aber bei entsprechender Reform problemlos ändern.
t@cker: Digitalisierung und agile Arbeitsmethoden sollen die Verwaltung einfacher, schneller, besser machen – und anschließend sparen Sie die Hälfte Ihres Personals ein? Ganz ehrlich: Spielt eine solche Zielsetzung auch eine Rolle in Ihren Überlegungen, wie es böse Zungen ja immer mal wieder unterstellen?
Hans-Josef Vogel: Zur Digitalisierung gehört auch die Automatisierung. 
Damit könnten zumindest potentiell auch Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung bedroht sein. Ich halte diese Angst für unbegründet. Eine einfache Antwort wäre, auf den extrem hohen arbeitsrechtlichen Schutz zu verweisen, den wir als Angestellte und Beamt*innen im öffentlichen Dienst genießen. Dieser Schutz ist Teil unserer Staatstradition. Aber das ist nicht der eigentliche Punkt. Automatisierung wird uns ermöglichen, endlich das zu tun, was Maschinen mit ihren programmierten Routinen nicht können. 
Wir Menschen verstehen, was Menschen wollen und brauchen, und wir können uns als soziale Wesen in unserer Rolle endlich um die wirklich wichtigen Belange von Bürgerinnen und Bürgern, von Betrieben und Unternehmen und auch unser eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, die uns kein Computer abnehmen kann. Keine Sorge. 
Uns geht die sinnvolle Arbeit nicht aus. Digitalisierung eröffnet uns die Chance, sie endlich menschlich und effektiv anzupacken. Und noch ein Gedanke: Wenn wir unsere Verwaltung nicht endlich auf den Stand der Technik bringen, wenn wir die berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an Verwaltung in einem modernen Staat nicht erfüllen, schaden wir der Demokratie. Umgekehrt gilt: Je besser Verwaltung wird, desto mehr Vertrauen haben Bürgerinnen und Bürger in unseren Staat und in unsere Demokratie. 
Diesem Anspruch müssen wir uns stellen. Deshalb haben wir uns irgendwann entschieden, einen Beruf im öffentlichen Dienst zu ergreifen. Deshalb dienen wir dem Staat, dem demokratischen freiheitlichen Rechtsstaat und seinen Bürgerinnen und Bürgern."

Quelle: t@cker-story 1-2/2020, S. 8-12.





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