"Dieses Fresh-up braucht der öffentliche Dienst
Änderungen sind nötig, damit sich junge Menschen für den Öffentlichen Dienst als Arbeitgeber begeistern
So viele Überstunden, dass man sie gar nicht
mehr zählen kann, Arbeitsverdichtung und Fachkräftemangel. All das macht
den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber nicht besonders beliebt unter
Neubewerbern. Was getan werden muss, um junge Leute dafür zu begeistern,
hat die dbb jugend nrw jetzt mal konkret formuliert.
Früher in Rente gehen zu können als andere oder bereits vor der Rente die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne eine Gehaltseinbuße zu haben – mehr als ein schöner Traum?
Früher in Rente gehen zu können als andere oder bereits vor der Rente die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne eine Gehaltseinbuße zu haben – mehr als ein schöner Traum?
Ja, wenn es nach den Vorstellungen
der dbb jugend nrw geht.
Denn die Idee von Lebensarbeitszeitkonten, mit
denen so etwas möglich wäre, ist eine der Kernforderungen, die der
gewerkschaftliche Jugenddachverband verfolgt.
Das Ziel: Den öffentlichen
Dienst als Arbeitgeber für junge Leute attraktiver zu machen.
Öffentlicher Dienst NRW: 13.500 Stellen unbesetzt
Denn mehr als 13.500 Stellen sind im
öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen nicht besetzt. „Das hat
Gründe, über die wir in Anbetracht dieser gigantisch hohen Zahl an
offenen Stellen nicht hinwegsehen dürfen“, sagt Moritz Pelzer,
Vorsitzender der dbb jugend nrw. Diese Zahl mache deutlich, wie groß
inzwischen das Attraktivitätsproblem des öffentlichen Dienstes sei.
Schon seit einiger Zeit geht die dbb jugend nrw als gewerkschaftliche
Jugenddachorganisation für die jungen Beschäftigten im öffentlichen
Dienst darum der Frage nach, was sich verändern muss, um gerade von
jungen Menschen wieder als interessanter Arbeitgeber wahrgenommen zu
werden.
Überstunden noch und nöcher – Langzeitkonten als Lösung
Aus der Innenansicht weiß Pelzer selbst, wie
sehr sich unter anderem durch Personalmangel die Arbeitsbelastung
verdichtet. Der Mangel an Fachkräften sorge zudem dafür, dass sich diese
Situation zeitnah nicht ändern werde.
Viele Beschäftigte aus dem
öffentlichen Dienst berichten, wie in ihren Arbeitsbereichen die Zahl an
Überstunden in den letzten Jahren immer weiter angewachsen ist.
„Sich die Überstunden auszahlen zu lassen, ist für die meisten unattraktiv“, sagt Pelzer. Durch Lebensarbeitszeitkonten würde das anders.
„Sich die Überstunden auszahlen zu lassen, ist für die meisten unattraktiv“, sagt Pelzer. Durch Lebensarbeitszeitkonten würde das anders.
„Wir sehen das darum als zentrale und wichtige Jugendforderung“,
sagt Moritz Pelzer.
Ganz neu ist das im öffentlichen Dienst nicht.
Schon jetzt gibt es in Einzelfällen Modelle, in denen Überstunden auf
Ansparkonten für einige Jahre gesammelt werden können.
„Beim Hessischen
Städtetag besteht eine solche Möglichkeit bereits“, weiß Pelzer.
Immer mehr wünschen sich Freizeit statt Geld
Der Lebensplanung vieler junger Menschen komme
das entgegen:
Sie können solch angesparte Stunden für ein Sabbatical
oder über Elternzeit hinaus zur Kinderbetreuung oder als Familienzeit
nutzen. Denn aus Umfragen, wie es sie beispielsweise anlässlich der
Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn gegeben hat, weiß man, dass
für viele Beschäftigte neben der Aussicht auf mehr Geld die Freizeit
einen immer höheren Stellenwert bekommt. Die Beschäftigten erhalten
seitdem eine Wahlmöglichkeit. Sie können statt mehr Gehalt mehr Freizeit
haben.
Anstatt ab Juli 2020 eine Lohnerhöhung von 2,6 Prozent zu
bekommen, haben die Mitarbeiter die Option, entweder sechs Tage mehr
Urlaub oder eine Arbeitszeitverkürzung zu wählen.
Einen weiteren Grund für die Probleme bei der Besetzung der vielen offenen Stellen sieht die dbb jugend nrw zudem in der hohen Wochenarbeitszeit.
Einen weiteren Grund für die Probleme bei der Besetzung der vielen offenen Stellen sieht die dbb jugend nrw zudem in der hohen Wochenarbeitszeit.
Diese beträgt derzeit 41 Stunden.
„NRW zählt damit zu
den Bundesländern mit der höchsten Wochenarbeitszeit“, sagt Pelzer.
Diese sei eigentlich 2003 zur Haushaltsentlastung nur vorübergehend und
befristet auf fünf Jahre von der Landesregierung eingeführt worden.
Seitdem werde diese Regelung ohne jeglichen finanziellen Ausgleich
ständig verlängert und sei zur Dauerlösung geworden.
Zurück zur 39-Stunden-Woche
„Jetzt ist es an der Zeit, die
Vorschusslorbeeren zurückzuzahlen und wieder zur 39-Stunden-Woche
zurückzukehren“, sagt Pelzer.
Die Beschäftigten hätten genug für die
Schuldenbremse getan.
Um junge Leute für die Arbeit beim Staat zu
begeistern, taugen solche Kostensparmodelle auf den Schultern der
Beschäftigten nicht. Neben einer angemessenen Bezahlung sei Freizeit und
eine gute Work-Life-Balance als Attraktivitätsfaktor wichtiger denn je.
Arbeitgeber sollten Gesundheit besser fördern
„Wir sehen dringenden Verbesserungsbedarf bei
den Vorsorgemöglichkeiten, der technischen Ausstattung, der
Flexibilisierung von Arbeit und Lebensarbeitszeitkonten sowie
Kooperationen im Zusammenhang mit dem betrieblichen
Gesundheitsmanagement zur körperlichen und psychischen Gesunderhaltung“,
betont Pelzer. Dazu zählen Vorsorgemöglichkeiten bei Stress und starker psychischer Belastung, zeitnahe Hilfe in akuten Belastungssituationen aber auch Anreize zur körperlichen Gesunderhaltung wie die vergünstigte Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio.
Das durchzusetzen soll auch weiterhin auf der Agenda der dbb jugend nrw stehen, verspricht Pelzer: „Wir werden nicht lockerlassen, in allen politischen Gesprächen klar zu stellen, dass ein attraktiver öffentlicher Dienst die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Staat ist.“"
Quelle: t@cker-inside 1-2/2020, S. 15.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen