Mittwoch, 29. Januar 2020

dbb jugend nrw: Dieses Fresh-up braucht der öffentliche Dienst

dbb jugend nrw: Dieses Fresh-up braucht der öffentliche Dienst



"Dieses Fresh-up braucht der öffentliche Dienst



Änderungen sind nötig, damit sich junge Menschen für den Öffentlichen Dienst als Arbeitgeber begeistern

So viele Überstunden, dass man sie gar nicht mehr zählen kann, Arbeitsverdichtung und Fachkräftemangel. All das macht den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber nicht besonders beliebt unter Neubewerbern. Was getan werden muss, um junge Leute dafür zu begeistern, hat die dbb jugend nrw jetzt mal konkret formuliert.
Früher in Rente gehen zu können als andere oder bereits vor der Rente die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne eine Gehaltseinbuße zu haben – mehr als ein schöner Traum?
Ja, wenn es nach den Vorstellungen der dbb jugend nrw geht.
Denn die Idee von Lebensarbeitszeitkonten, mit denen so etwas möglich wäre, ist eine der Kernforderungen, die der gewerkschaftliche Jugenddachverband verfolgt. 
Das Ziel: Den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber für junge Leute attraktiver zu machen.

Öffentlicher Dienst NRW: 13.500 Stellen unbesetzt

Denn mehr als 13.500 Stellen sind im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen nicht besetzt. „Das hat Gründe, über die wir in Anbetracht dieser gigantisch hohen Zahl an offenen Stellen nicht hinwegsehen dürfen“, sagt Moritz Pelzer, Vorsitzender der dbb jugend nrw. Diese Zahl mache deutlich, wie groß inzwischen das Attraktivitätsproblem des öffentlichen Dienstes sei. 
Schon seit einiger Zeit geht die dbb jugend nrw als gewerkschaftliche Jugenddachorganisation für die jungen Beschäftigten im öffentlichen Dienst darum der Frage nach, was sich verändern muss, um gerade von jungen Menschen wieder als interessanter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.


Überstunden noch und nöcher – Langzeitkonten als Lösung

Aus der Innenansicht weiß Pelzer selbst, wie sehr sich unter anderem durch Personalmangel die Arbeitsbelastung verdichtet. Der Mangel an Fachkräften sorge zudem dafür, dass sich diese Situation zeitnah nicht ändern werde. 
Viele Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst berichten, wie in ihren Arbeitsbereichen die Zahl an Überstunden in den letzten Jahren immer weiter angewachsen ist.
„Sich die Überstunden auszahlen zu lassen, ist für die meisten unattraktiv“, sagt Pelzer. Durch Lebensarbeitszeitkonten würde das anders. 
„Wir sehen das darum als zentrale und wichtige Jugendforderung“, sagt Moritz Pelzer. 
Ganz neu ist das im öffentlichen Dienst nicht. Schon jetzt gibt es in Einzelfällen Modelle, in denen Überstunden auf Ansparkonten für einige Jahre gesammelt werden können. 
„Beim Hessischen Städtetag besteht eine solche Möglichkeit bereits“, weiß Pelzer.

Immer mehr wünschen sich Freizeit statt Geld

Der Lebensplanung vieler junger Menschen komme das entgegen: 
Sie können solch angesparte Stunden für ein Sabbatical oder über Elternzeit hinaus zur Kinderbetreuung oder als Familienzeit nutzen. Denn aus Umfragen, wie es sie beispielsweise anlässlich der Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn gegeben hat, weiß man, dass für viele Beschäftigte neben der Aussicht auf mehr Geld die Freizeit einen immer höheren Stellenwert bekommt. Die Beschäftigten erhalten seitdem eine Wahlmöglichkeit. Sie können statt mehr Gehalt mehr Freizeit haben. 
Anstatt ab Juli 2020 eine Lohnerhöhung von 2,6 Prozent zu bekommen, haben die Mitarbeiter die Option, entweder sechs Tage mehr Urlaub oder eine Arbeitszeitverkürzung zu wählen.
Einen weiteren Grund für die Probleme bei der Besetzung der vielen offenen Stellen sieht die dbb jugend nrw zudem in der hohen Wochenarbeitszeit. 
Diese beträgt derzeit 41 Stunden. 
„NRW zählt damit zu den Bundesländern mit der höchsten Wochenarbeitszeit“, sagt Pelzer. Diese sei eigentlich 2003 zur Haushaltsentlastung nur vorübergehend und befristet auf fünf Jahre von der Landesregierung eingeführt worden. 
Seitdem werde diese Regelung ohne jeglichen finanziellen Ausgleich ständig verlängert und sei zur Dauerlösung geworden.


Zurück zur 39-Stunden-Woche

„Jetzt ist es an der Zeit, die Vorschusslorbeeren zurückzuzahlen und wieder zur 39-Stunden-Woche zurückzukehren“, sagt Pelzer. 
Die Beschäftigten hätten genug für die Schuldenbremse getan. 
Um junge Leute für die Arbeit beim Staat zu begeistern, taugen solche Kostensparmodelle auf den Schultern der Beschäftigten nicht. Neben einer angemessenen Bezahlung sei Freizeit und eine gute Work-Life-Balance als Attraktivitätsfaktor wichtiger denn je.


Arbeitgeber sollten Gesundheit besser fördern
„Wir sehen dringenden Verbesserungsbedarf bei den Vorsorgemöglichkeiten, der technischen Ausstattung, der Flexibilisierung von Arbeit und Lebensarbeitszeitkonten sowie Kooperationen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement zur körperlichen und psychischen Gesunderhaltung“, betont Pelzer. 
Dazu zählen Vorsorgemöglichkeiten bei Stress und starker psychischer Belastung, zeitnahe Hilfe in akuten Belastungssituationen aber auch Anreize zur körperlichen Gesunderhaltung wie die vergünstigte Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio.
Das durchzusetzen soll auch weiterhin auf der Agenda der dbb jugend nrw stehen, verspricht Pelzer: „Wir werden nicht lockerlassen, in allen politischen Gesprächen klar zu stellen, dass ein attraktiver öffentlicher Dienst die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Staat ist.“"


Quelle: t@cker-inside 1-2/2020, S. 15.


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