"Ideencampus „Let’s get digital“
Digitalisierung: Junge Beschäftigte als Experten und Change Agents begreifen
Gerade die jungen Beschäftigten des
öffentlichen Dienstes in Deutschland können die dringend erforderliche
Digitalisierung voranbringen – wenn man sie lässt.
So lautete eins der
wesentlichen Erkenntnisse des ersten Ideencampus‘ der dbb jugend, der am
22. Oktober 2019 junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter,
Politikerinnen und Politiker sowie zahlreiche Expertinnen und Experten
aus Verwaltung und Wissenschaft im dbb forum berlin versammelte, um über
die digitale Transformation des öffentlichen Dienstes zu diskutieren.
Motto: „Let’s get digital“!
Zum ersten Ideencampus der dbb jugend kamen am 22. Oktober 2019
junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Politikerinnen und
Politiker sowie zahlreiche Expertinnen und Experten aus Verwaltung und
Wissenschaft im dbb forum berlin zusammen, um über die digitale
Transformation des öffentlichen Dienstes zu diskutieren. Motto: „Let’s
get digital!“
„Die Ausgangslage ist denkbar schlecht: Der Status
quo der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes und öffentlicher
Dienstleistungen in Deutschland lässt in vielerlei Hinsicht zu wünschen
übrig“, stellte dbb jugend Chefin Karoline Herrmann in ihrem
Eröffnungsimpuls kritisch fest. So liege Deutschland im aktuellen vom
Nationalen Normenkontrollrat herausgegebenen Monitor „Digitale
Verwaltung“ weiterhin abgeschlagen auf Platz 19 im EU-weiten Vergleich.
„Angefangen bei der IT-Ausstattung von Behörden und Verwaltungen über
die seit Jahren nur ausgesprochen schleppend vorankommende
Digitalisierung von Verwaltungsprozessen bis hin zum überwiegend noch
immer suboptimalen Auftritt des Staats in der digitalen Öffentlichkeit,
dem Internet: Überall bröckelt reichlich Steinzeit-Staub von Decken und
Wänden“, so Herrmann. Die Beschäftigten, insbesondere die jüngeren
Digital Natives, die im Alltag längst digital lebten,
Online-Dienstleistungen verschiedenster Branchen tagtäglich und
selbstverständlich in Anspruch nähmen, fühlten sich mit Dienstbeginn
nicht selten „zurück katapultiert in eine analoge Welt, die absurde Züge
trägt: Wenn das Hochfahren des Büro-PCs eine geschlagene Viertelstunde
dauert, wenn Polizistinnen und Polizisten im Einsatz lieber ihr privates
Smartphone nutzen anstatt sich am Analog-Funkgerät einen Bruch zu
heben, läuft doch irgendwas falsch.
Dass sich Verwaltungen und Behörden
bei länderübergreifenden Angelegenheiten regelmäßig und
einzelfallbezogen ins komplizierte Benehmen miteinander setzen müssen,
ist auch nicht gerade die Spitze digitaler Weiterentwicklung des
Staatshandelns, sondern eher peinlich und, wenn es um Angelegenheiten
der inneren Sicherheit geht, auch noch hochgradig gefährlich“, warnte
die dbb jugend Vorsitzende und appellierte: „Das natürliche
Expertenwissen junger Beschäftigter muss anerkannt und gemeinsam mit dem
Erfahrungswissen der Älteren aktiv genutzt werden. Wir sehen eine große
Chance in Begegnungen auf Augenhöhe mit den erfahrenen Kolleginnen und
Kollegen, von denen beide Seiten profitieren.“ Ganz entscheidend für
eine erfolgreiche Digitalisierung sei die adäquate Aus- und
Weiterbildung der Beschäftigten. „Da sich die Anforderungen schnell
wandeln, müssen die Inhalte in Studium und Ausbildung fortlaufend
aktualisiert werden.
Die Basiskompetenzen digitalen Verwaltungshandelns
und Veränderungskompetenz müssen fachspezifisch, berufsgruppen- und
laufbahngerecht vermittelt werden.
Nur so kann eine fortlaufende
Modernisierung der Dienststellen gelingen.“
„Der Status quo der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen in
Deutschland lässt in vielerlei Hinsicht zu wünschen übrig“, stellte dbb
jugend Chefin Karoline Herrmann fest und forderte die bessere
Einbeziehung des Know-hows junger Beschäftigter.
Herrmann betonte: „Der öffentliche Dienst und
namentlich seine Beschäftigten sind nicht die Bremser der
Digitalisierung. Sie sind die Digitalisiererinnen und Digitalisierer!
Sie sind die Change Agents! Nur mit ihnen wird der digitale
Transformationsprozess, zu dem es keinerlei Alternative gibt, gelingen.
Deswegen sind alle Ansätze, die aus den Fehlern vergangener
Verwaltungsmodernisierungen nichts gelernt haben, von vornherein zum
Scheitern verurteilt. Wer meint, man könne das Kind schon schaukeln,
wenn nur wieder Horden von aberwitzig teuren Beratern in feinem Zwirn
durch die Amtsstuben ziehen, ist auf dem Holzweg. Das Wissen um die
Bedürfnisse und Erfordernisse der Digitalisierung ist doch schon längst
da! Denn der Mensch steht im Mittelpunkt des Staatsdienstes: Zum einen
sind es die Bürgerinnen und Bürger.
Zum anderen die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter im öffentlichen Dienst: Die Digitalisierung des
Verwaltungs- und Behördenhandelns muss sich in jeder Hinsicht an den
Nutzerinnen und Nutzern orientieren, wenn sie breite Akzeptanz finden
soll.“
Das Gelingen der digitalen Transformation des öffentlichen
Dienstes ist entscheidend für das Vertrauen der Menschen in ihren
Staat“, unterstrich Herrmann.
„Ein öffentlicher Dienst, der heutzutage
digital nicht präsent ist und leistet, vernachlässigt einen wesentlichen
Bereich der Daseinsvorsorge und verliert ganz zwangsläufig die
Akzeptanz der Menschen. Nicht nur die der Bürgerinnen und Bürger,
sondern auch die der Beschäftigten. Dass laut der aktuellen dbb
Bürgerbefragung von forsa mehr als 60 Prozent der Menschen den Staat bei
der Erfüllung seiner Aufgaben schon jetzt für überfordert halten, kommt
ja nicht von ungefähr, sondern hat manifeste Gründe.
Ein Weiter so darf
es daher nicht geben.“
Die Digitalisierung sei eine großartige Chance, den öffentlichen Dienst in Deutschland besser zu machen. „Durch die Digitalisierung tausender einfacher Verwaltungsprozesse können wir Kapazitäten freisetzen, die den Kolleginnen und Kollegen wieder mehr Raum für ihren Dienst am Menschen verschaffen. Für Service, für Beratung, für das Da-Sein bei Problemen, Sorgen und Nöten. Dass sie hierfür schon lange, lange nicht mehr die Zeit haben, die sie eigentlich bräuchten, hat schon zu viele Kolleginnen und Kollegen zermürbt, ganz zu schweigen von dem Unmut der Bürgerinnen und Bürger über den nicht funktionierenden Staat, der sich zunehmend in verbaler und physischer Gewalt Bahn bricht. Das muss aufhören“, machte die dbb jugend Chefin deutlich.
Die Digitalisierung sei eine großartige Chance, den öffentlichen Dienst in Deutschland besser zu machen. „Durch die Digitalisierung tausender einfacher Verwaltungsprozesse können wir Kapazitäten freisetzen, die den Kolleginnen und Kollegen wieder mehr Raum für ihren Dienst am Menschen verschaffen. Für Service, für Beratung, für das Da-Sein bei Problemen, Sorgen und Nöten. Dass sie hierfür schon lange, lange nicht mehr die Zeit haben, die sie eigentlich bräuchten, hat schon zu viele Kolleginnen und Kollegen zermürbt, ganz zu schweigen von dem Unmut der Bürgerinnen und Bürger über den nicht funktionierenden Staat, der sich zunehmend in verbaler und physischer Gewalt Bahn bricht. Das muss aufhören“, machte die dbb jugend Chefin deutlich.
„Der öffentliche
Dienst ist immer da, er hält Land und Leute am Laufen und zusammen, auch
in Zeiten großer politischer Herausforderungen.
Er darf jetzt bei
Digitalisierung nicht abgehängt werden“, forderte Herrmann.
Auch dbb Chef Ulrich Silberbach sagt: „Für die Digital Natives
sind digitale Arbeitsabläufe selbstverständlich. Sie sind mit moderner
Technik, smarten digitalen Anwendungen, Mails und Internet aufgewachsen
und bringen ein Know-how und eine Intuition mit, die wir viel stärker
nutzen müssen.“
Silberbach: „Antworten auf Zukunftsfragen“
Unterstützung erhielt die dbb jugend Vorsitzende
von dbb Chef Ulrich Silberbach, der in der Digitalisierung „viele
Antworten auf Zukunftsfragen“ sieht. Die Politik forderte er auf, die
Digitalisierung der Verwaltung systematisch und mit Nachdruck
umzusetzen, dies sei höchste Zeit. Silberbach bekräftigte die Forderung
der dbb jugend nach einer besseren Nutzung der Potenziale, die die
jungen Kolleginnen und Kollegen mit in den öffentlichen Dienst brächten:
„Für die Digital Natives sind digitale Arbeitsabläufe
selbstverständlich.
Sie sind mit moderner Technik, smarten digitalen
Anwendungen, Mails und Internet aufgewachsen und bringen ein Know-how
und eine Intuition mit, die wir viel stärker nutzen müssen.“ In
Anbetracht der bislang nur stockend vorankommenden digitalen
Transformation staatlicher Dienstleistungen halte er es für dringend
geboten, „die eigenen Talente zu fördern und zu fordern. Wir brauchen
keine millionenteuren Beratungsfirmen – das Anwendungs- und Nutzerwissen
in Sachen Digitalisierung sitzt in Gestalt der jungen Menschen bereits
in den Behörden und Verwaltungen.
Sie sind die Experten und Change
Agents, die wir brauchen, um die Digitalisierung des öffentlichen
Dienstes zielführend zu gestalten und zu einem Erfolgsprojekt zu
machen“, so Silberbach.
Eva Christiansen, Abteilungsleiterin für Innovation und
Digitalpolitik im Bundeskanzleramt, berichtete über die
Digitalisierungsstrategien und -erfolge der Bundesregierung.
Derzeit
arbeiten Bund und Länder in 14 Digitalisierungslaboren bundesweit
gemeinsam mit Anwendern und Zielgruppen an Lösungen zur Digitalisierung
von Verwaltungsdienstleistungen.
„Digitalisierung muss erlebbar werden“
Eva Christiansen, Abteilungsleiterin für
Innovation und Digitalpolitik im Bundeskanzleramt, berichtete über die
Digitalisierungsstrategien und -erfolge der Bundesregierung.
Hier sei in
der neuen Legislaturperiode bereits Einiges auf den Weg gebracht worden
– ausgehend von der Prämisse, „dass wir keine Erkenntnis-, sondern
Umsetzungsprobleme haben“. In die Umsetzung der Digitalstrategie der
Bundesregierung investiere man nun die ganze Kraft, versicherte
Christiansen. So hätten alle Ressorts in drei agilen Workshops
nutzerorientierte Umsetzungsplanungen für alle wesentlichen politischen
Schwerpunktbereiche entwickelt. „Das große Problem ist bislang, dass vor
allem die Bürgerinnen und Bürger die Digitalisierung der Staatsdienste
nicht erfahren können.
Das wollen wir jetzt zügig ändern.
Digitalisierung muss erlebbar werden.“
Auf einem permanent
aktualisierten Online-Dashboard, das perspektivisch veröffentlicht
werden soll, könne künftig jede und jeder genau verfolgen, welche
Dienstleistungen des Staates wo digital zur Verfügung stehen.
Als eine Ursache für die „gefühlte Ewigkeit“ der digitalen Transformation in Deutschland nannte Christiansen die föderalen Organisations- und Rechtsgrundlagenstrukturen.
Als eine Ursache für die „gefühlte Ewigkeit“ der digitalen Transformation in Deutschland nannte Christiansen die föderalen Organisations- und Rechtsgrundlagenstrukturen.
„Wir mussten immerhin
erst das Grundgesetz ändern, damit Bund und Länder für das
Online-Zugangsgesetz überhaupt zusammenarbeiten dürfen“, erinnerte sie.
„So etwas bremst natürlich auf dem Weg zum modernen Staat.“
Zugleich
nutze man indes auch die operativen Vorteile, die der Föderalismus
biete:
Anstatt 16mal ein neues Programm für einen überall gleichen
Prozess zu schreiben, habe man die zu digitalisierenden Verfahren
schwerpunktmäßig auf bundesweit 14 Digitalisierungslabore aufgeteilt, in
denen jeweils Bund, Länder, Anwender und Zielgruppen gemeinsam an den
Lösungen arbeiten. „Die nächste Herausforderung wird dann natürlich das
Roll-out der Anwendungen“, räumte Christiansen ein, „hierzu müssen
insbesondere noch zahlreiche rechtliche Anpassungen erfolgen, damit
letztlich überall im Land jeweils die vollständige Digitalisierung vom
Antrag bis hin zum Bezahlvorgang realisiert werden kann.“ Gleichwohl
erfolge mit der Entwicklung der Prototypen bereits ein großer
Umsetzungsschritt.
„Bis 2021 werden wir wirklich liefern können“,
versprach die Abteilungsleiterin.
Mit großem Interesse verfolgte das Publikum den Ideencampus und beteiligte sich immer wieder aktiv an der Diskussion.
Kontinuierlich begleitet und beraten werde die
Bundesregierung bei der Modernisierung von Staat und Verwaltung vom
Digitalrat, einem Gremium externer Experten, berichtete Christiansen.
Mit Blick auf den modernen Staat hätten diese vier Empfehlungen
formuliert:
- Der Staat und seine Strukturen müssen agiler
werden – weg vom bislang „typisch deutschen“ Risiko-Vermeidungsdenken
hin zum Ausprobieren, verbunden mit Problem-Splitting und der Freiheit,
auch einmal Fehler zu machen.
- Der Austausch des Staats mit externen
Kompetenzen muss massiv ausgebaut werden, um das staatliche Mindset um
neue Perspektiven und Aspekte zu bereichern.
- Der Staat und seine Mitarbeiterstruktur müssen
interdisziplinärer werden – nicht nur Juristen und Volkswirte sind
künftig gefragt, sondern ebenso andere Fachdisziplinen und
beispielsweise Projektmanager, Mediatoren oder Designer.
- Der Staat muss seinen Beschäftigten
flächendeckend auf allen Ebenen und generationsübergreifend digitale
Kompetenzen vermitteln und zur Verfügung stellen.
Christiansen betonte, dass die digitale
Transformation des öffentlichen Dienstes insbesondere von den
Beschäftigten viel verlange. „Viele werden umdenken, neue Wege
einschlagen müssen. Dabei dürfen sie nicht alleine gelassen werden, denn
wir werden diese Herausforderung nur gemeinsam mit den Menschen, die im
öffentlichen Dienst arbeiten, erfolgreich meistern.“ Ein weiterer roter
Faden des Digitalisierungserfolgs sei Führung: „Nur, wo Digitalisierung
Chefsache ist und entsprechend gelebt wird, funktioniert sie auch, das
haben uns die mittlerweile zahlreichen Best Practices gelehrt.“
Stefanie Hecht vom Fraunhofer Institut für Offene
Kommunikationssystem FOKUS nahm die Nutzerperspektive in den Blick:
„Wenn die Leute, die später mit der Anwendung arbeiten sollen,
frühzeitig in den Prozess einbezogen werden, lässt sich die
Gebrauchstauglichkeit der Software, die sogenannte Usability,
signifikant verbessern.“
Nutzer: „Lost in Fachverfahren?“
„Lost in Fachverfahren?“ hatte Stefanie Hecht vom
Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssystem FOKUS über ihren
Impulsvortrag geschrieben.
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Digital
Public Services (DPS) ging der Frage nach, wie sich IT-Projekte in der
Praxis erfolgreich umsetzen lassen: „Das gelingt vor allem, wenn die
Leute, die später mit der Anwendung arbeiten sollen, frühzeitig in den
Prozess einbezogen werden. Damit lässt sich die Gebrauchstauglichkeit
der Software, die sogenannte Usability, signifikant verbessern und sogar
Geld sparen, weil nicht erst nach Inbetriebnahme der Anwendung
aufwändig umprogrammiert werden muss.“
Diese auf überprüfbaren
methodischen Standards beruhende Herangehensweise bei der
Implementierung digitalisierter Arbeitsvorgänge sei bei
Start-up-Unternehmen üblich.
„Die Start-ups sind zwar in der
Weiterentwicklung von IT-Prozessen sehr innovativ, haben aber in der
Regel begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung und versuchen deshalb
möglichst genau herauszubekommen, was ihre Nutzer brauchen“, erläuterte
Hecht.
„Weil auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung kein Geld für große Experimente bei der Verwaltungsdigitalisierung vorhanden ist, sind wir vom Leibnitz-Institut dort inzwischen immer häufiger als Berater gefragt“, berichtete die Expertin.
„Weil auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung kein Geld für große Experimente bei der Verwaltungsdigitalisierung vorhanden ist, sind wir vom Leibnitz-Institut dort inzwischen immer häufiger als Berater gefragt“, berichtete die Expertin.
Gemeinsam mit ihrem
Digital-Public-Services-Team hat sie beispielsweise
Digitalisierungsprojekte in der nordrhein-westfälischen
Landesverwaltung, bei der die digitale Modellbehörde in Hessen, im
E-Justice-Projekt in Baden-Württemberg sowie im Amt für Kultur und
Medien der Freien und Hansestadt Hamburg auf ihre Gebrauchstauglichkeit
untersucht. „Unsere Usability-Begleitung erfolgt jeweils aus vier
Arbeitsschritten: Verstehen, spezifizieren, gestalten und evaluieren,
wobei wir für den letzten Verfahrensschritt intensiv mit den von der
Umstellung Betroffenen kommunizieren.“
Die Evaluierung besteht aus einem Mix empirischer und analytischer Methoden:
Die Evaluierung besteht aus einem Mix empirischer und analytischer Methoden:
„Zu den analytischen Methoden gehört etwa die Untersuchung
auf Standardkonformität nach DIN- und ISO-Richtlinien. In Kombination
mit empirischen Anwendertests lässt sich dann ein realistisches Bild von
Stärken und Schwächen eines Projektes gewinnen.“
Konkret liefen die
Tests unter anderem so ab, dass jeweils eine nicht geschulte Testperson
in Gegenwart zweier Tester vom Fraunhofer-Institut durch die neue
IT-Anwendung klickt und laut darüber sprechen soll, welche Fehler und
Vorzüge sie wahrnimmt, oder Aufgaben ausführt und den Verlauf der
Tätigkeit kommentiert. „So lässt sich eine Software passgenau für die
Bedürfnisse der jeweiligen Verwaltung anpassen“, erklärte Stefanie
Hecht.
In der Fishbowl diskutierten Sepp Parzinger von den Jusos
(2.v.l.n.r.), Maximilian Görlich von der Jungen Union, Ria Schröder von
den Jungen Liberalen, Max Lucks von der Grünen Jugend und Maximilian
Schulz von der linksjugend verschiedene Themen, die von den
Campus-Teilnehmenden aufgerufen wurden – auf diesem Bild hatte sich dbb
jugend Vize Philipp Mierzwa in Sachen Fachkräftemangel zu Wort gemeldet.
Partei-Jugenden in der Fishbowl
In der Fishbowl-Runde des Ideencampus‘ stellten
sich Ria Schröder von den Jungen Liberalen, Maximilian Görlich von der
Jungen Union, Max Lucks von der Grünen Jugend, Sepp Parzinger von den
Jusos und Maximilian Schulz von der linksjugend den Fragen aus dem
Publikum zur Zukunft des öffentlichen Dienstes.
Ria Schröder, Bundesvorsitzende der JuLis, sprach sich für ein Digitalministerium auf Bundesebene aus, warnte aber vor unsachgemäßem Vorgehen bei der Zentralisierung der Digitalisierungsprozesse in der Verwaltung: „Es sollte eine Koordinierungsstelle geben, die als Schnittstelle fungiert, die die unterschiedlichen Verwaltungsebenen untereinander, aber auch ebenübergreifend vernetzt – im Sinne einer Best-Practice-Austauschplattform.“ Wichtig sei eine demokratische Ausgestaltung der digitalen Prozesse. Skeptiker müssten ebenso mitgenommen werden wie digital aufgeschlossene Beschäftigte. „Nur dann wird man damit nachhaltig Erfolg haben“, meint Schröder. Mehr Mut beim Einsatz von Open-Source-Anwendungen und dem Experimentieren mit agilen Projektstrukturen könnte aus Sicht der jungen liberalen Politikerin auch dazu beitragen, einerseits die Digitalisierung zu beschleunigen und andererseits, junge IT-affine Nachwuchskräfte für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu gewinnen. Aber auch in Sachen Weiterbildung müsste dringend ein neues Bewusstsein geschaffen werden, um die vorhandenen Fachkräfte zu motivieren.
Ria Schröder, Bundesvorsitzende der JuLis, sprach sich für ein Digitalministerium auf Bundesebene aus, warnte aber vor unsachgemäßem Vorgehen bei der Zentralisierung der Digitalisierungsprozesse in der Verwaltung: „Es sollte eine Koordinierungsstelle geben, die als Schnittstelle fungiert, die die unterschiedlichen Verwaltungsebenen untereinander, aber auch ebenübergreifend vernetzt – im Sinne einer Best-Practice-Austauschplattform.“ Wichtig sei eine demokratische Ausgestaltung der digitalen Prozesse. Skeptiker müssten ebenso mitgenommen werden wie digital aufgeschlossene Beschäftigte. „Nur dann wird man damit nachhaltig Erfolg haben“, meint Schröder. Mehr Mut beim Einsatz von Open-Source-Anwendungen und dem Experimentieren mit agilen Projektstrukturen könnte aus Sicht der jungen liberalen Politikerin auch dazu beitragen, einerseits die Digitalisierung zu beschleunigen und andererseits, junge IT-affine Nachwuchskräfte für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu gewinnen. Aber auch in Sachen Weiterbildung müsste dringend ein neues Bewusstsein geschaffen werden, um die vorhandenen Fachkräfte zu motivieren.
„Die Ausbildung endet nicht mit
dem Abschluss. Man ist nie fertig. Lebenslanges Lernen bedeutet, dass
man jeden Tag dazu lernt. Das muss als Chance gesehen werden im Sinne
von: Mein Berufsleben wird nie langweilig“, machte Schröder deutlich.
Über die nationalen und internationalen Herausforderungen und
Auswirkungen der Verwaltungsdigitalisierung diskutierten dbb Vize Jürgen
Böhm („Ausbildungs- und Prüfungsordnungen“), …
Massive Stärkung der IT-Kompetenzen
Skeptisch gegenüber einer zu zentralisiert
ausgerichteten Digitalisierung zeigte sich Maximilian Görlich von der
Jungen Union. „Entscheidend ist, dass wir die Beschäftigten mitnehmen
und den Prozess demokratisieren. Dazu gehört auch, gute Lösungen und
Kompetenzen verschiedener Ebenen anzuerkennen und zu schützen.“
Um
entsprechend befähigtes Personal für die Umsetzung der Digitalisierung
von Behörden und Verwaltungen zu finden, müssten attraktive
Arbeitsbedingungen geschaffen werden, so Görlich, zugleich sei indes
eine massive Stärkung der IT-Kompetenzen im gesamten Bildungsbereich
angezeigt: „Wir müssen schon in der Schule damit beginnen, nachhaltige
Digitalkompetenzen auszubilden, und dies dann auch konsequent über alle
nachfolgenden Aus- und Weiterbildungen fortführen“, forderte er. Die
Berliner Junge Union setze sich beispielsweise für ein obligatorischen
IT-Modul in sämtlichen Studiengängen an den Berliner Hochschulen ein,
berichtete Görlich. Im Gegensatz zu seinem Mitdiskutanten Sepp Parzinger
von den Jusos sprach sich Görlich strikt gegen die Aufnahme von neuen
Schulden für Investitionen in den öffentlichen Dienst aus: „Die
Steuereinnahmen sind so hoch wie nie zuvor, das Geld ist also da. Wir
müssen nur die Prioritäten in der Ausgabensteuerung neu festlegen“, so
Görlich, eine Neuverschuldung sei mit Blick auf die nachfolgenden
Generationen unverantwortlich.
… Janna Gall („Blick über den Tellerrand“) stellvertretende Bundesvorsitzende der dvg-JUGEND, …
Gegen die schwarze Null: Schluss mit Kaputtsparen
„Die Zeit des Kaputtsparens muss vorbei sein“,
hielt Juso Sepp Parzinger dagegen.
Die Digitalisierung sei eine der
herausragenden Zukunftsaufgaben, und digitale Infrastruktur koste nun
einmal Geld, machte er deutlich. „Hier muss der Bund Mittel in die Hand
nehmen, die Politik der schwarzen Null ist keine Lösung.“ Investitionen
verlange Parzinger auch für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und
die Qualifizierung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Der
digitale Staat werde von den Bürgerinnen und Bürgern nur dann akzeptiert
werden, „wenn die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Sicherheit
und Vertrauen in dem, was sie tun, ausstrahlen. Dafür müssen sie
entsprechend qualifiziert werden, und zwar dauerhaft“, forderte
Parzinger und sprach sich für einen verbindlichen Rechtsanspruch der
Beschäftigten auf Weiterbildung aus. Anstrengungen müssten auch
unternommen werden, um die Arbeit im öffentlichen Dienst attraktiv für
junge Menschen zu machen: „Attraktiv wird man, indem man besser wird.
Nicht nur in Sachen Bezahlung, sondern auch mit modernen
Arbeitszeitmodellen, die eine gute Vereinbarkeit von Privat und Beruf
ermöglichen.“ Ein Recht auf Homeoffice sei für ihn gut vorstellbar, so
Parzinger.
Mit Blick auf die Tatsache, dass die Menschen dank der neuen
Technologien auch immer produktiver würden, sprich weniger Zeit für die
gleiche Arbeit bräuchten, könnte man zudem über eine generelle
Arbeitszeitverkürzung nachdenken, regte der Juso an.
Bessere Vernetzung und Recht auf Weiterbildung
In der besseren Vernetzung der einzelnen
Verwaltungsebenen sieht der Junge Grüne Max Lucks eine drängende
Herausforderung der Digitalisierung. Insbesondere in sensiblen Bereich
wie der inneren Sicherheit müssten technische Systeme
regionalübergreifend sinnvoll kommunizieren und dazu beitragen, zwischen
den Behörden wichtige Hinweise auszutauschen. Der Fall des Attentäters
Amri habe eindrücklich gezeigt: „Das muss Priorität haben.“ Um der Angst
vor Stellenabbau durch die Einbindung intelligenter Systeme in
Verwaltungsprozesse zu begegnen, bedürfe es einer positiven Vision des
digitalen Wandels. „Wie können wir die positiven Effekte der
Digitalisierung für die Beschäftigten gewinnbringend nutzen? Und zwar
so, dass sie den Menschen helfen, anstelle sie mit bürokratischen
Prozessen zu überfordern?“, erläuterte Lucks seine Forderung nach einer
„positiven Erzählung für die Digitalisierung des öffentlichen Dienstes“.
Dies sei aber auch eine Frage der bedarfsgerechten Weiterbildung der
Beschäftigten. „Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung und
ein System, das jene belohnt, die sich fortbilden.“ Die Frage nach der
Finanzierung des digitalen Wandels müsse schnell geklärt werden und
dürfe nicht unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit verschleppt
werden.
„Für die nachfolgenden Genrationen können wir uns kaputte
Schulen, kaputte Straßen und eine fehlende digitale Infrastruktur nicht
leisten“, so Lucks.
… und Christina Dahlhaus („Mitbestimmung“), Bundesvorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM.
Niedrigschwellig, intuitiv, leichte Sprache
Maximilian Schulz von der linksjugend will, dass
digitale Angebote der Verwaltungen niedrigschwellig, intuitiv im Zugang
und in leichter Sprache verfasst sind, um alle Bürgerinnen und Bürger zu
erreichen. „Es muss überall einfach sein, einen Reisepass zu
beantragen“, betonte Schulz, räumte allerdings zugleich ein, dass der
Staat stets einen „Spagat zwischen Rechtssicherheit und einfacher
Sprache“ leisten müsse.
Die technischen Grundlagen müssten in allen
Bundesländern einheitlich, mindestens aber kompatibel sein, forderte
Schulz. Gleichzeitig müsse immer die Frage gestellt werden, was ist gute
und was ist notwendige technische Ausstattung, um eine regionale
Spaltung der Verwaltungseinheiten zu verhindern. „Ungleiche Arbeitsmodi
in der Verwaltung sind eine große Hürde. Funktionalität muss Priorität
haben“, appellierte Schulz. Die Digitalisierung erfordere zudem eine
Neudefinition des Arbeitsbegriffs. Beschäftigte sollten dort entlastet
werden, wo Arbeitsaufkommen durch technische Innovation eingespart
werden könne. Gleichzeitig müssten die Arbeitsergebnisse als Maßstab für
Arbeitsleistung anerkannt werden und nicht, wie bisher, die
Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz.
Sepp Parzingers Vorschlag eines
Anspruchs auf Weiterbildung unterstützte Schulz, betonte aber:
„Weiterbildung darf nicht vom Volumen des Geldbeutels abhängen.
Außerdem
müssen die Qualifikationen bundesweit anerkannt werden.“
Workshops zum Paradigmenwechsel
Nach einem auflockernden Break mit dem
Improvisationstheater „Die Gorillas“ kamen die Campus-Teilnehmenden in
drei Workshops zusammen, um spezifische Digitalisierungs-Aspekte zu
vertiefen. Jürgen Böhm, stellvertretender dbb Bundesvorsitzender,
diskutierte in seiner Gruppe „Notwendige Änderungen in den Ausbildungs-
und Prüfungsordnungen aufgrund der Digitalisierung“. Fazit: Änderungen
sind zwingend notwendig, sowohl in der Ausbildung des öffentlichen
Dienstes als auch an den ausbildenden Hochschulen.
Hier wie dort seien
neben technischen Fähigkeiten und Digitalkompetenzen als
Querschnittswissen auch Methoden- und Organisationskenntnisse (mit Blick
auf New Work) zu ergänzen. Lebenslanges Lernen muss zur
Selbstverständlichkeit werden, Führungskräfte sollen künftig proaktiv zu
Fort- und Weiterbildung ermuntern, digitale Lehr-, Lern- und
Prüfungsformate sollen Einzug in den Ausbildungs- und Arbeitsalltag
halten, so die Forderungen der Workshop-Teilnehmenden. „Das bedeutet
nicht weniger als einen fundamentalen Paradigmenwechsel in Aus- und
Weiterbildung“, machte dbb Vize Böhm deutlich.
… dbb jugend Vize Liv Grolik zeigte sich bei ihrem Schlusswort
positiv gestimmt:
„Der heutige Ideencampus zeigt, dass nun endlich
ordentlich Bewegung und Dynamik in das Thema Digitalisierung kommt –
auch die Politik hat erkannt, dass wir hier vorankommen müssen.“
Best Practice international und mehr Mitbestimmung
Den „Blick über den Tellerrand“ warf die Gruppe um
Jana Gall, stellvertretende Bundesvorsitzende der dvg-JUGEND, im
Workshop „Digitale Verwaltung international“. Die Länderbeispiele Estland, Norwegen und Südkorea zeigten: „Es geht doch! Es gibt international viele gute Beispiele, von denen man in Deutschland lernen kann“, fasste Gall zusammen. Und der Blick ins Ausland zeige auch, dass die digitale Transformation überall finanzielle Investitionen gebraucht und viel Zeit in Anspruch genommen habe – Deutschland also auch in dieser Hinsicht kein Ausnahmefall sei. „Vieles muss nun gemeinsam, zielgerichtet und mutig angegangen werden“, zeigte der Workshop, und Gall betonte, dass aktuell durchaus schon wichtige Steuerungsstrukturen geschaffen würden und auf allen Ebenen intensiv an der Digitalisierung gearbeitet werde – „wir dürfen also schon eher hoffnungsvoll in die Zukunft blicken“, wagte die Workshop-Leiterin vorsichtigen Optimismus.
Christina Dahlhaus, Bundesvorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPVKOM, überlegte sich mit ihren Workshop-Teilnehmenden, was Digitalisierung für PersonalvertreterInnen und BetriebsrätInnen bedeutet.
Wichtigstes Ergebnis:
„Die Lösungen der Herausforderung Digitalisierung für die Beschäftigten liegen im Bereich der Mitbestimmung“, so Dahlhaus‘ Resümee, und dementsprechend sei eine Erweiterung der mitbestimmungsrechtlichen Kompetenzen für Betriebs- und Personalräte unabdingbar. „Digitalisierung war bislang weder Thema noch Regelungstatbestand in Personalvertretungs- und Betriebsverfassungsgesetz, das müssen wir ändern“, so Dahlhaus. Denn die neuen Technologien brächten neue Arbeitsformen, Arbeitsmodelle und Möglichkeiten der Datenerfassung und -auswertung mit sich, die dringend der Mitsprache der Beschäftigtenvertretungen bedürften, „um die Kolleginnen und Kollegen vor negativen Auswirkungen der Digitalisierung wie etwa Entgrenzung oder Entwertung der Arbeit wirksam zu schützen“."
Quelle: t@cker-focus 11/2019, URL: http://tacker-online.de/html/fokus.html
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