dbb Ratgeber: Digitalisierung 4.0 im öffentlichen Dienst - Die dienstliche Nutzung privater Endgeräte
"Digitalisierung – Arbeit 4.0
Die dienstliche Nutzung privater Endgeräte
Mit „Bring dein eigenes Gerät mit“, kurz: BYOD („Bring Your Own Device“), wird das Phänomen der Nutzung privater, im Eigentum der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
stehender Endgeräte für dienstliche Zwecke bezeichnet. Eine typische Erscheinungsform des BYOD liegt dann vor, wenn die Beschäftigten ihren Laptop, ihr Tablet oder ihr Smartphone für das Verfassen von geschäftlich veranlassten Schreiben nutzen und diese dann über einen USB-Stick oder über E-Mail an die berufliche Adresse versenden. Weitere Formen des BYOD liegen vor, wenn das private Gerät an die firmeninterne Infrastruktur
angebunden wird. Die komplexeste Form liegt im Zugriff auf die arbeitgebereigenen
IT-Ressourcen durch Verbindung mit dem Netzwerk des Arbeitgebers.
Dieser Artikel befasst sich mit den wichtigsten rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem BYOD.
Arbeitsrechtliche GrundlagenHier stellt sich die Frage, auf welche Rechtsgrundlage sich die Einführung von BYOD in einem Unternehmen stützen kann. In Betracht kommen das Direktionsrecht des Arbeitgebers, der Arbeitsvertrag, die Betriebsvereinbarung sowie die betriebliche Übung.
Eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag ist notwendig Eine Einführung von BYOD allein durch
eine Weisung des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts ist nicht möglich.
Vielmehr ist eine Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien durch eine
arbeitsvertragliche Vereinbarung notwendig, da sonst arbeitsrechtliche Schutzregelungen,
insbesondere die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung, umgangen werden würden.
Betriebsvereinbarung oder betriebliche ÜbungAuch wird eine Einführung von BYOD ausschließlich durch den Abschluss einer
Betriebsvereinbarung nicht für möglich gehalten. Aber was passiert, wenn es in einem Betrieb an einer Regelung der Nutzung von privaten Endgeräten zu Dienstzwecken fehlt und es dennoch in der Praxis zu einem Einsatz von Privatgeräten kommt? Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich daher die Frage, ob sich aus einer Duldung der Nutzung seitens des Arbeitgebers ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Nutzung von BYOD ergeben kann.
Dafür könnte auf das Rechtsinstitut der „betrieblichen Übung“ abgestellt werden.
Unter einer betrieblichen Übung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Beschäftigten schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung
erscheint insbesondere im Hinblick darauf problematisch, dass der Arbeitgeber von einer betrieblichen Handhabung keine ausreichend konkrete Kenntnis hat.
Selbst wenn ihm bekannt ist, dass private Geräte genutzt werden, so dürften ihm
regelmäßig Art und Umfang der Nutzung unbekannt sein.
Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) findet auf alle Betriebe privatrechtlicher
Rechtsträger Anwendung, in denen in der Regel mindestens fünf ständige für die Wahl eines Betriebsrats wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind. Wenn ein Betriebsrat gewählt wurde, können sich in Bezug auf Einführung und Ausgestaltung von BYOD im Betrieb Beteiligungsrechte in Form von Unterrichtungs- und zwingenden Mitbestimmungsrechten ergeben.
Mitbestimmungspflicht nach BetrVGWerden in den Nutzungsvereinbarungen zum BYOD konkrete Verhaltensregelungen bei der Endgerätenutzung getroffen, wird eine Mitbestimmungspflicht anzunehmen sein, sofern ein Bezug zur betrieblichen Ordnung gegeben ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Keine Rolle spielt dabei, ob das Endgerät auch außerhalb des Betriebsgeländes verwendet wird.
Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird nicht räumlich, sondern funktional bestimmt.
Im Rahmen der Einführung von BYOD können auch die Arbeitszeit betreffende Mitbestimmungstatbestände (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG) erfüllt sein, soweit Fragen
des zeitlichen Umfangs der Gerätenutzung geregelt werden.
Hier besteht ein Mitbestimmungsrecht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Arbeitszeit im mitbestimmungsrechtlichen Sinne ist die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer
berechtigt beziehungsweise verpflichtet ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Eine Betroffenheit könnte sich beispielsweise bei Regelungen zur Rufbereitschaft am privaten Gerät ergeben. Auch der Sonderfall der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeiten dürfte im Rahmen von BYOD im Hinblick auf die Möglichkeit der ständigen Erreichbarkeit von Bedeutung sein.
ArbeitnehmerhaftungBei der Einführung und Nutzung von BYOD sind Haftungsfragen zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber von Bedeutung. Die Besonderheit im Rahmen von BYOD liegt für die Arbeitnehmerhaftung in einem gesteigerten Schadensrisiko, insbesondere für die IT-Infrastruktur und den Datenbestand des Arbeitgebers.
Durch fehlende oder nicht aktualisierte Anti-Viren-Software oder durch Umgehung von technischen Sicherungsmaßnahmen kann die Arbeitgeber-IT von Viren befallen werden.
Bei Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers gegen eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer gelten die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung mit der abgestuften
Haftungsprivilegierung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Haftung der Beschäftigten daher – abhängig vom Verschuldensgrad – wie folgt beschränkt: Vorsätzlich verursachte Schäden hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer in vollem Umfang zu tragen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für grob fahrlässig verursachte Schäden.
Es sind Haftungserleichterungen möglich
Es sind jedoch Haftungserleichterungen möglich. So kommt eine Haftungsbegrenzung durch Begrenzung des Schadensersatzes in Betracht, wenn der Verdienst der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko steht.
Bei einfacher und mittlerer Fahrlässigkeit haben Beschäftigte und Arbeitgeber den Schaden anteilig zu tragen. Für die Anwendung dieser Haftungsbeschränkungen kommt es auf die betriebliche Veranlassung einer Tätigkeit an. Als betrieblich veranlasst sind solche Tätigkeiten anzusehen, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die die Beschäftigten im Interesse des Arbeitsgebers für den Betrieb ausführen. Kommt es zu Schäden durch die vertraglich geregelte Nutzung von privaten Endgeräten für dienstliche Zwecke, dürften die Haftungsbeschränkungen mithin auch ohne gesonderte Haftungsvereinbarung Anwendung finden.
Im TVöD, TV-L und TV-H finden sich weitere Haftungserleichterungen.
ArbeitgeberhaftungFür die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt sich die Frage nach Ersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber im Falle von Verlust, Diebstahl oder Beschädigung des dienstlich genutzten Privatgeräts.
Den Arbeitgeber treffen in Bezug auf das vom Arbeitnehmer berechtigterweise in den Betrieb eingebrachte Privateigentum Verwahrungspflichten, um es möglichst vor Verlust oder Beschädigung zu bewahren.
Dieser Pflicht genügt der Arbeitgeber, wenn er die Maßnahmen trifft, die ihm unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen und örtlichen Verhältnisse zugemutet werden können. Die Schutzpflicht wird in ihrem Umfang umso mehr abgeschwächt, je weniger der betreffende Gegenstand mit dem betrieblichen Geschehen im Zusammenhang steht.
Interessant ist hier die Frage, ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer auch Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen kann, wenn das private Gerät ohne schuldhafte Einwirkung des Arbeitgebers beschädigt wird.
Die verschuldensunabhängige Arbeitgeberhaftung kann abbedungen werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer für die Gefahrtragung eine entsprechende Abgeltung erhält. Eine solche gesonderte Risikoprämienzahlung müsste nach der Höhe so bemessen sein, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer zumindest eine zur Risikoabdeckung ausreichende Geräteversicherung abschließen kann. Alternativ könnte der Arbeitgeber selbst eine Geräteversicherung für Schäden und Verlust von Privatgeräten abschließen.
ArbeitszeitIm Rahmen von BYOD ergeben sich keine Besonderheiten in Fragen der Arbeitszeit.
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) kommt hier zur vollen Anwendung. Es entstehen durch die dienstliche Nutzung privater Endgeräte auch keine neuen Probleme.
Sie decken sich in weiten Teilen mit den Fragen bei Telearbeit und mobiler Arbeit.
BewertungEs ist nicht neu, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr Smartphone, Tablet oder Laptop auch für dienstliche Zwecke nutzen. Wie Telearbeit und mobiles Arbeiten ist das Phänomen BYOD in der heutigen Arbeitswelt („Arbeit 4.0“) nicht mehr wegzudenken. Allerdings zeigt sich ein erhöhtes Konfliktpotenzial, wenn ein privates BYOD genutzt wird, welches gerade nicht vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist.
Viele Fragen sind von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt worden.
Klare Regelungen und Absprachen zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber sind daher umso notwendiger.
Und dabei hilft die Kommunikation zwischen den Parteien, um klarzustellen, welche Ziele Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber verfolgen.
Im Rahmen einer vertraglich geregelten Genehmigung können somit viele Risiken ausgeschlossen werden."
Quelle: tacheles 9/2019, S. 10/11, URL: https://www.dbb.de/fileadmin/pdfs/tacheles/tacheles_19_09.pdf#page=10
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