Montag, 23. September 2019

dbb Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach stellt fest: Staats-IT steckt in der Krise

dbb Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach stellt fest: Staats-IT steckt in der Krise

Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach stellte auf dem Creative Bureaucracy Festival 2020 fest: Die Staats-IT steckt in der Krise:

"Creative Bureaucracy Festival 2020

Silberbach: Staats-IT steckt in der Krise

    Creative Bureaucracy Festival
Als „nicht hinnehmbar“ hat dbb Chef Ulrich Silberbach den aktuellen Zustand der Staats-IT zum Auftakt des Creative Bureaucracy Festivals in Berlin kritisiert.
„Die Digitalisierung von Behörden und Verwaltung muss endlich Chefsache und bundesweit koordiniert werden“, forderte der Bundesvorsitzende das dbb beamtenbund und tarifunion am 20. September 2019. „Ein Blick in die Digitalisierungslandschaft der öffentlichen Verwaltung zeigt, dass uns die Wucht der technologischen Revolution förmlich überrollt hat. Gerade erst hat der Bundesrechnungshof die IT-Konsolidierung in der Bundesverwaltung auf Eis gelegt, um ein weiteres Milliardengrab für die Steuerzahlenden zu verhindern. Alleine das zeigt doch schon, dass die Staats-IT in der Krise steckt“, sagte Silberbach.

In der Vergangenheit hätten viele Verwaltungseinheiten „ihr eigenes Süppchen gekocht, weshalb wir heute einen unüberschaubaren Flickenteppich an Insellösungen haben. An dieser ‚gewachsenen Vielfalt‘ mögen sich einige, vor allem die externen Beratungen, die überall ihre Finger im Spiel haben, erfreuen. Aber für die Beschäftigten und die Bürgerinnen und Bürger ist der Hard- und Software-Wildwuchs eine einzige Zumutung“, ärgerte sich der dbb Bundesvorsitzende. „Gute digitale Infrastruktur ist kein Selbstzweck. Sie ist Voraussetzung für das Funktionieren des Staates und einer der wichtigsten Standortfaktoren. Deswegen müssen Zuständigkeit und Verantwortlichkeit an einer Stelle gebündelt werden, die mit allen erforderlichen Weisungsrechten ausgestattet ist und bundesweite Standards und Zeitfenster vorgibt.“

Silberbach betonte: „Die Verantwortung für die digitalen Achterbahnfahrten, die zu nichts führen, liegt nicht etwa bei den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst. Sie sind die Leidtragenden einer mittlerweile weit verbreiteten politischen Entscheidungs- und Vollzugsschwäche und sehen sich dem berechtigten Unmut von Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmerinnen und Unternehmern schutzlos ausgeliefert – damit muss Schluss sein.“

Das Creative Bureaucracy Festivals (CBF) findet am 20. und 21. September 2019 in der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Initiatoren sind Charles Landry (Autor „The Creative City“) und Sebastian Turner (Herausgeber des „Tagesspiegel“), der dbb unterstützt das Festival als Netzwerkpartner. Die Veranstaltung versammelt Innovatoren des öffentlichen Sektors auf allen Ebenen (vom Erzieher bis zur Ministerin, von der Kommune bis zur internationalen Organisation, von Finnland bis Südafrika) und die interessierte Öffentlichkeit. Neben dbb Chef Ulrich Silberbach (zum Thema „Entdämonisierung von Technik“) nehmen auch Friedhelm Schäfer (Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb, zum Thema „Sicherheit, Bindung, Alimentation: Rezepte von gestern für das Personalrecruiting von morgen?“), Jürgen Böhm (dbb Vize und Bundesvorsitzender des Verband Deutscher Realschullehrer (VDR), zum Thema „Finding the future bureaucrat“),  Karoline Herrmann (Vorsitzende der dbb jugend, zum Thema „Der öffentliche Sektor braucht mehr Vertrauen: So gelingt‘s“) sowie Helene Wildfeuer (Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, zum Thema „Vielfalt und Parität im öffentlichen Dienst“) als Vortragende am CBF teil.

dbb Vize Friedhelm Schäfer betont mit Blick auf den dringend benötigten Nachwuchs im öffentlichen Dienst: „Ohne Menschen wird auch die digitale Verwaltung nicht funktionieren – sie sind und bleiben zentraler Fixpunkt des öffentlichen Dienstes. Um junge Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen und zu binden, braucht es neben einer attraktiven Bezahlung angemessene und moderne Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, ein gutes Betriebsklima, eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privat und greifbare Aufstiegsperspektiven.“ Der Beamtenstatus sei in diesem Zusammenhang kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern „ein besonderes Pfund, das auch im 21. Jahrhundert noch überzeugt und jene Verlässlichkeit garantiert, die alle von ihrem Staat erwarten“, so Schäfer.
Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Jürgen Böhm skizziert die „Bürokraten der Zukunft“: „Der öffentliche Dienst der Zukunft ist agil, vielfältig und digital. Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen, Erfahrungen und soziokulturellen Kompetenzen stehen im Dienst der Allgemeinheit. Digitale Kompetenz ist von der Ausbildung an etabliertes Querschnittswissen, die ständige Orientierung am Nutzer – den Bürgerinnen und Bürgern – ist ebenso Standard wie die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams, das  Arbeitsklima ist durch moderne Führung und flache Hierarchien wertschätzend, respektvoll und ergebnisorientiert.“ Sicher sei vieles von diesem Szenario noch Zukunftsmusik, so Böhm, aber „das ist unser Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt“.
dbb jugend Chefin Karoline Herrmann betont, dass eine „Vertrauensoffensive des öffentlichen Dienstes in Richtung Gesellschaft und Wirtschaft dringend erforderlich“ sei. „Wenn, wie die aktuelle dbb Bürgerbefragung zeigt, 61 Prozent der Menschen den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben für überfordert halten, ist das ein Alarmsignal. Diese wachsende Unzufriedenheit mit dem Staat, der Politik, dem öffentlichem Dienst, etablierten Strukturen und Verfahren ist leider logische Konsequenz einer jahrzehntelangen Spar- und Rückzugspolitik der großen Volksparteien. Hier muss umgesteuert werden“, fordert Herrmann.

Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, sieht in Perspektivenvielfalt und gleichberechtigtem Arbeiten die Schlüssel für Innovationsprozesse im öffentlichen Dienst. „Die Beantwortung der Gleichstellungsfrage ist hierfür zentrales Element. Denn die Erfahrung zeigt: Werden Frauen gleichberechtigt in Entscheidungsprozesse eingebunden, entwickeln sich flexiblere und offenere Betriebskulturen, die besser auf schnelle Veränderungen und Krisen reagieren können. Diese Erkenntnisse müssen gezielt für die öffentliche Verwaltung aufbereitet werden, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können“, macht Wildfeuer deutlich.

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