"Umgang mit der AfD
„Demokratie in Gefahr“
Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD herausgegeben.
Die AfD (Alternative für Deutschland) ist die
stärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag und konnte zuletzt
bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen wieder deutliche
Stimmengewinne erzielen. Soweit, so demokratisch.
Allerdings ist die AfD
auch eine Partei, für die der Holocaust und das bestialische Regime der
Nationalsozialisten im Deutschen Reich „nur ein Vogelschiss“ in der
Geschichte sind, die gegen Flüchtende, Fremde und alle „anderen“ hetzt,
die ihre Meinung nicht teilen, die „das politische System“ abschaffen
und das Land von dessen Unterstützerinnen und Unterstützern säubern
will, die von „Machtergreifung“ spricht und Bundeskanzlerin Angela
Merkel eine „Kanzler-Diktatorin“ nennt.
Eine Partei, deren Protagonisten
die Kontakte zur rechtsextremistischen Szene verharmlosen und auch auf
offener Straße den Schulterschluss mit Rechtsradikalen nicht scheuen.
Wie umgehen mit dieser Partei? Das fragen sich viele.
Die Amadeu Antonio
Stiftung* hat eine „Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD“
herausgegeben.
„Die AfD hat sich zum parlamentarischen Arm der
extremen Rechten entwickelt, die die Demokratie wie nie zuvor in ihren
Grundfesten angreift. Sie hat üppige finanzielle Mittel und geschulte
Kader, um ihren Feldzug gegen die Demokratie zu führen“, erklärte Timo
Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, anlässlich der
Vorstellung der Handreichung „Demokratie in Gefahr“ zum Umgang mit der
AfD Mitte August 2019.
„Die AfD macht längst keinen Hehl mehr aus ihrer
Demokratiefeindlichkeit.
Ob Politik, Medien, Schulen, Vereine,
Kunstschaffende – die AfD hat zum Rundumschlag gegen alle ausgeholt,
die die Demokratie verkörpern“, so Reinfrank.
Angriff auf verfassungsgemäße Grundrechte
Neben der Migrationspolitik als zentralem Thema
greift die AfD auch demokratische Grundsätze in zahlreichen anderen
gesellschaftlichen Bereichen an. So will sie die staatliche Förderung
von politischer Bildung außerhalb von Parteien unter Strafe stellen, sie
schließt Medien von Parteitagen aus und diffamiert Medienschaffende,
sie lässt die Angehörigen von Minderheiten zählen, stellt Lehrerinnen
und Lehrer an den Pranger und versucht, in die Kunstfreiheit von
Theatern einzugreifen.
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte berichten von massiven Angriffen der AfD auf ihre Arbeit: „In vielen Kommunalparlamenten und Kreistagen stellen AfD-Abgeordnete Gleichstellung und damit einen Verfassungsauftrag infrage“, erklärt etwa Susanne Löb, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. „Wenn es sich anbietet, um gegen Migranten zu hetzen, bringt sich die AfD als Beschützerin der Frauen in Stellung. In Wahrheit verfolgt sie eine Politik, die sich gegen Gleichstellung und Emanzipation richtet und macht Frauen verächtlich.“
Auch der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) warnt: „Die AfD steht für eine zutiefst menschenfeindliche Agenda und ein völkisches und autoritäres Weltbild.
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte berichten von massiven Angriffen der AfD auf ihre Arbeit: „In vielen Kommunalparlamenten und Kreistagen stellen AfD-Abgeordnete Gleichstellung und damit einen Verfassungsauftrag infrage“, erklärt etwa Susanne Löb, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. „Wenn es sich anbietet, um gegen Migranten zu hetzen, bringt sich die AfD als Beschützerin der Frauen in Stellung. In Wahrheit verfolgt sie eine Politik, die sich gegen Gleichstellung und Emanzipation richtet und macht Frauen verächtlich.“
Auch der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) warnt: „Die AfD steht für eine zutiefst menschenfeindliche Agenda und ein völkisches und autoritäres Weltbild.
Das steht im absoluten Gegensatz zu den Zielen und
Werten der Jugendverbände“, kritisiert DBJR-Vorsitzende Lisi Maier.
„Nicht nur die politischen Inhalte, auch der Politikstil der AfD ist aus
unserer Sicht unvereinbar mit einer modernen, vielfältigen und
jugendgerechten Gesellschaft“, so Maier.
Position beziehen: Für die liberale Demokratie
„Wer die AfD immer noch als rechtspopulistische
oder demokratische Partei bezeichnet, verharmlost, wie konkret die
Demokratie in Gefahr ist“, stellt Amadeu Antonio-Geschäftsführer Timo
Reinfrank klar. „Viele Institutionen machen sich Gedanken, wie sie sich
gegen die Rechtsradikalen und für die liberale Demokratie positionieren
können.“ Deswegen habe die Stiftung eine Handreichung entwickelt, die
zeigt, wie man sich gegen Angriffe der AfD wehren und in
unterschiedlichen Situationen mit ihren Vertreterinnen und Vertretern
umgehen kann.
Detailliert beschreibt die Broschüre zahlreiche Konstellationen, in denen es gilt, sich mit den AfD-Positionen und ihren Protagonistinnen und Protagonisten auseinanderzusetzen:
Detailliert beschreibt die Broschüre zahlreiche Konstellationen, in denen es gilt, sich mit den AfD-Positionen und ihren Protagonistinnen und Protagonisten auseinanderzusetzen:
Ob in der parlamentarischen
Arbeit, in Schule und Jugendarbeit, im Kulturbetrieb und im
zivilgesellschaftlichen Kontext – überall kann und muss gegenüber der
AfD klar Position für die Werte der liberalen Demokratie bezogen werden,
empfiehlt der Ratgeber.
Für Organisationen und Institutionen mit Satzung und/oder Leitbild sei es zunächst hilfreich, ihre liberalen demokratischen und menschenrechtlichen Grundwerte klar und unmissverständlich zu formulieren und festzuschreiben. Auf dieser Grundlage könne man mit einem klaren Koordinatensystem in die Diskussion mit der AfD gehen.
Für Organisationen und Institutionen mit Satzung und/oder Leitbild sei es zunächst hilfreich, ihre liberalen demokratischen und menschenrechtlichen Grundwerte klar und unmissverständlich zu formulieren und festzuschreiben. Auf dieser Grundlage könne man mit einem klaren Koordinatensystem in die Diskussion mit der AfD gehen.
Grundsätzlich sollten sich Auseinandersetzungen nicht auf Entgegnungen
von Wortbeiträgen oder auf das Richtig- und Klarstellen beschränken –
das reine „Abarbeiten“ wäre die falsche Strategie, so der Expertenrat.
Es sollte vielmehr um Sachthemen gehen, es sollten eigene Kontrapunkte
gesetzt werden, die das liberale und demokratische Gesellschaftsbild
transportieren.
Beispielhaft zeigt die Broschüre das Debatten- und Diskussionsverhalten der AfD-Vertreterinnen und -Vertreter auf und benennt deren rhetorische Muster:
Beispielhaft zeigt die Broschüre das Debatten- und Diskussionsverhalten der AfD-Vertreterinnen und -Vertreter auf und benennt deren rhetorische Muster:
What-Aboutism, Opferinszenierung,
Themen-Hopping oder auch Silencing („Sie werden noch sehen…“) als mehr
oder weniger verhohlene Drohung.
All dem kann begegnet werden, sagen die
Experten:
Durch gute Vorbereitung, auch auf den Hass, der der
AfD-Opposition immer wieder entgegenschlagen wird, durch wiederholte
Fragen nach Konkretisierung und Lösungen, durch Pochen darauf, dass die
AfD-Forderungen bis zum letztlich menschenrechts- und
grundgesetzwidrigen Kern ausbuchstabiert werden.
AfD in der Kinder- und Jugendarbeit
Beispielhaft zeigt die Broschüre das Debatten- und
Diskussionsverhalten der AfD-Akteure auf und benennt deren rhetorische
Muster wie What-Aboutism, Opferinszenierung oder Themen-Hopping – und
sagt, wie man dem begegnen kann.
Auch in der Kinder- und Jugendarbeit muss man sich
mit der AfD auseinandersetzen. Bislang hat die Partei zwar noch keine
Konzepte für die Offene Kinder- und Jugendarbeit und benachbarte
Bereiche vorgelegt, sie konzentriert sich eher auf Schule und
Bildungspolitik.
Jedoch wird ihre Programmatik nicht ohne Folgen
bleiben: Die AfD attackiert im Bereich der schulischen und politischen
Bildung jene, die sich ihr gegenüber kritisch äußern. Lehrende,
Erziehende, Sozialarbeitende sind zunehmend von
Einschüchterungsversuchen betroffen und werden gerade dort, wo sie in
rechtsaffinen oder rechtsradikalen Milieus Impulse zur Stärkung der
Demokratie setzen, vor wachsende Herausforderungen gestellt.
Auch ohne
direkte Einflussnahme wirkt die starke Präsenz der Partei negativ auf
das gesellschaftliche Klima und stärkt mit ihrer völkischen, autoritären
und antifeministischen Grundhaltung bestehende Vorstellungen der
Ungleichwertigkeit und Strukturen gesellschaftlicher Ungleichheit. Auf
politischer Ebene werden die Folgen der verstärkten AfD-Einflussnahme
auf die Kinder- und Jugendarbeit vermehrt greifbar.
So sehen sich Träger
und Einrichtungen Sozialer Arbeit immer häufiger mit falschen
Behauptungen und Unterstellungen konfrontiert, bedroht. Geht es um die
Genehmigung von Fördergeldern für Kinder- und Jugendarbeit, prüfen die
Afd-Verantwortlichen zunächst, ob ihnen die AkteurInnen wohlgesonnen
sind – wenn nicht, nimmt die Neigung, Mittel zu bewilligen, spürbar ab.
„Die AfD misst weder der gesellschaftlichen Teilhabe noch der
individuellen Förderung von Heranwachsenden eine besondere Bedeutung
bei“, macht der Ratgeber der Amadeu Antonio Stiftung deutlich. Aus
diesem Grund lasse sie sich durchaus als jugendfeindlich bezeichnen, wie
das unter anderem der DBJR getan hat:
„Die AfD ist jugendfeindlich. Sie
versteht die Jugend nicht und gibt ihr nicht den Freiraum, den sie
braucht“, heißt es in einem Unvereinbarkeitsbeschluss des Deutschen
Bundesjugendrings.
AfD und Schule: Neutralität und politische Bildung
Auch für den Bereich Schule hält die Broschüre
wertvolle Ratschläge und Einschätzungen für den Umgang mit der AfD
bereit – insbesondere für die Lehrerinnen und Lehrer, die sich in
jüngster Zeit mit besonders perfiden Angriffen der Partei
auseinandersetzen mussten.
So rief die AfD in etlichen Bundesländern
dazu auf, Lehrende zu denunzieren.
Neutralität, so sieht es die Partei,
bedeute in erster Linie, eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD
zu unterlassen. Die eigens von der AfD eingerichteten Meldeportale –
Onlinepranger für Lehrkräfte – sollen diesem Ansinnen Nachdruck
verleihen.
Die Broschüre stellt dagegen klar, dass das Neutralitätsgebot
für Lehrkräfte nicht bedeutet, ohne politische Meinung zu sein. Genau
um die Auseinandersetzung mit verschiedenen politischen Meinungen gehe
es in der demokratischen Bildungsarbeit.
Es gehe zudem um grundlegende
Themen wie die Menschenrechte und damit notwendigerweise um die
kritische Betrachtung von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und
anderen diskriminierenden Positionen – unabhängig davon, ob diese von
der AfD oder anderen politischen AkteurInnen vertreten werden.
„Kollidieren die Positionen der AfD mit diesen grundlegenden Rechten,
ist das kein Problem des Neutralitätsgebots oder der LehrerInnen,
sondern der Partei“, stellen die Experten klar.
Die erste Auflage der Broschüre ist bereits vergriffen, die zweite Auflage soll in Kürze erscheinen.
* Die Amadeu Antonio Stiftung hat
ihren Sitz in Heidelberg und wurde 1998 gegründet. Benannt wurde sie
nach Amadeu Antonio Kiowa, einem der ersten Todesopfer rechtsextremer
Gewalt in Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990. Die Stiftung will eine demokratische Zivilgesellschaft stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.
Schirmherr ist der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse."
Quelle: t@cker-tipps 10/2019, URL: http://tacker-online.de/html/tipps.html
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