Donnerstag, 10. Oktober 2019

t@cker-tipps: Demokratie in Gefahr - Umgang mit der AfD

t@cker-tipps: Demokratie in Gefahr - Umgang mit der AfD

"Umgang mit der AfD

„Demokratie in Gefahr“

Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD herausgegeben.

Die AfD (Alternative für Deutschland) ist die stärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag und konnte zuletzt bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen wieder deutliche Stimmengewinne erzielen. Soweit, so demokratisch. 
Allerdings ist die AfD auch eine Partei, für die der Holocaust und das bestialische Regime der Nationalsozialisten im Deutschen Reich „nur ein Vogelschiss“ in der Geschichte sind, die gegen Flüchtende, Fremde und alle „anderen“ hetzt, die ihre Meinung nicht teilen, die „das politische System“ abschaffen und das Land von dessen Unterstützerinnen und Unterstützern säubern will, die von „Machtergreifung“ spricht und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine „Kanzler-Diktatorin“ nennt. 
Eine Partei, deren Protagonisten die Kontakte zur rechtsextremistischen Szene verharmlosen und auch auf offener Straße den Schulterschluss mit Rechtsradikalen nicht scheuen. Wie umgehen mit dieser Partei? Das fragen sich viele. 
Die Amadeu Antonio Stiftung* hat eine „Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD“ herausgegeben.

„Die AfD hat sich zum parlamentarischen Arm der extremen Rechten entwickelt, die die Demokratie wie nie zuvor in ihren Grundfesten angreift. Sie hat üppige finanzielle Mittel und geschulte Kader, um ihren Feldzug gegen die Demokratie zu führen“, erklärte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, anlässlich der Vorstellung der Handreichung „Demokratie in Gefahr“ zum Umgang mit der AfD Mitte August 2019. 
„Die AfD macht längst keinen Hehl mehr aus ihrer Demokratiefeindlichkeit. 
Ob Politik, Medien, Schulen, Vereine, Kunstschaffende – die AfD hat zum Rundumschlag gegen alle ausgeholt, die die Demokratie verkörpern“, so Reinfrank.


Angriff auf verfassungsgemäße Grundrechte

Neben der Migrationspolitik als zentralem Thema greift die AfD auch demokratische Grundsätze in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Bereichen an. So will sie die staatliche Förderung von politischer Bildung außerhalb von Parteien unter Strafe stellen, sie schließt Medien von Parteitagen aus und diffamiert Medienschaffende, sie lässt die Angehörigen von Minderheiten zählen, stellt Lehrerinnen und Lehrer an den Pranger und versucht, in die Kunstfreiheit von Theatern einzugreifen.
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte berichten von massiven Angriffen der AfD auf ihre Arbeit: „In vielen Kommunalparlamenten und Kreistagen stellen AfD-Abgeordnete Gleichstellung und damit einen Verfassungsauftrag infrage“, erklärt etwa Susanne Löb, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. „Wenn es sich anbietet, um gegen Migranten zu hetzen, bringt sich die AfD als Beschützerin der Frauen in Stellung. In Wahrheit verfolgt sie eine Politik, die sich gegen Gleichstellung und Emanzipation richtet und macht Frauen verächtlich.“
Auch der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) warnt: „Die AfD steht für eine zutiefst menschenfeindliche Agenda und ein völkisches und autoritäres Weltbild. 
Das steht im absoluten Gegensatz zu den Zielen und Werten der Jugendverbände“, kritisiert DBJR-Vorsitzende Lisi Maier. „Nicht nur die politischen Inhalte, auch der Politikstil der AfD ist aus unserer Sicht unvereinbar mit einer modernen, vielfältigen und jugendgerechten Gesellschaft“, so Maier.


Position beziehen: Für die liberale Demokratie

„Wer die AfD immer noch als rechtspopulistische oder demokratische Partei bezeichnet, verharmlost, wie konkret die Demokratie in Gefahr ist“, stellt Amadeu Antonio-Geschäftsführer Timo Reinfrank klar. „Viele Institutionen machen sich Gedanken, wie sie sich gegen die Rechtsradikalen und für die liberale Demokratie positionieren können.“ Deswegen habe die Stiftung eine Handreichung entwickelt, die zeigt, wie man sich gegen Angriffe der AfD wehren und in unterschiedlichen Situationen mit ihren Vertreterinnen und Vertretern umgehen kann.
Detailliert beschreibt die Broschüre zahlreiche Konstellationen, in denen es gilt, sich mit den AfD-Positionen und ihren Protagonistinnen und Protagonisten auseinanderzusetzen: 
Ob in der parlamentarischen Arbeit, in Schule und Jugendarbeit, im Kulturbetrieb und im zivilgesellschaftlichen Kontext – überall kann und muss gegenüber der AfD klar Position für die Werte der liberalen Demokratie bezogen werden, empfiehlt der Ratgeber.
Für Organisationen und Institutionen mit Satzung und/oder Leitbild sei es zunächst hilfreich, ihre liberalen demokratischen und menschenrechtlichen Grundwerte klar und unmissverständlich zu formulieren und festzuschreiben. Auf dieser Grundlage könne man mit einem klaren Koordinatensystem in die Diskussion mit der AfD gehen. 
Grundsätzlich sollten sich Auseinandersetzungen nicht auf Entgegnungen von Wortbeiträgen oder auf das Richtig- und Klarstellen beschränken – das reine „Abarbeiten“ wäre die falsche Strategie, so der Expertenrat. Es sollte vielmehr um Sachthemen gehen, es sollten eigene Kontrapunkte gesetzt werden, die das liberale und demokratische Gesellschaftsbild transportieren.
Beispielhaft zeigt die Broschüre das Debatten- und Diskussionsverhalten der AfD-Vertreterinnen und -Vertreter auf und benennt deren rhetorische Muster: 
What-Aboutism, Opferinszenierung, Themen-Hopping oder auch Silencing („Sie werden noch sehen…“) als mehr oder weniger verhohlene Drohung. 
All dem kann begegnet werden, sagen die Experten: 
Durch gute Vorbereitung, auch auf den Hass, der der AfD-Opposition immer wieder entgegenschlagen wird, durch wiederholte Fragen nach Konkretisierung und Lösungen, durch Pochen darauf, dass die AfD-Forderungen bis zum letztlich menschenrechts- und grundgesetzwidrigen Kern ausbuchstabiert werden. 


AfD in der Kinder- und Jugendarbeit


Beispielhaft zeigt die Broschüre das Debatten- und Diskussionsverhalten der AfD-Akteure auf und benennt deren rhetorische Muster wie What-Aboutism, Opferinszenierung oder Themen-Hopping – und sagt, wie man dem begegnen kann.

Auch in der Kinder- und Jugendarbeit muss man sich mit der AfD auseinandersetzen. Bislang hat die Partei zwar noch keine Konzepte für die Offene Kinder- und Jugendarbeit und benachbarte Bereiche vorgelegt, sie konzentriert sich eher auf Schule und Bildungspolitik. 
Jedoch wird ihre Programmatik nicht ohne Folgen bleiben: Die AfD attackiert im Bereich der schulischen und politischen Bildung jene, die sich ihr gegenüber kritisch äußern. Lehrende, Erziehende, Sozialarbeitende sind zunehmend von Einschüchterungsversuchen betroffen und werden gerade dort, wo sie in rechtsaffinen oder rechtsradikalen Milieus Impulse zur Stärkung der Demokratie setzen, vor wachsende Herausforderungen gestellt. 
Auch ohne direkte Einflussnahme wirkt die starke Präsenz der Partei negativ auf das gesellschaftliche Klima und stärkt mit ihrer völkischen, autoritären und antifeministischen Grundhaltung bestehende Vorstellungen der Ungleichwertigkeit und Strukturen gesellschaftlicher Ungleichheit. Auf politischer Ebene werden die Folgen der verstärkten AfD-Einflussnahme auf die Kinder- und Jugendarbeit vermehrt greifbar. 
So sehen sich Träger und Einrichtungen Sozialer Arbeit immer häufiger mit falschen Behauptungen und Unterstellungen konfrontiert, bedroht. Geht es um die Genehmigung von Fördergeldern für Kinder- und Jugendarbeit, prüfen die Afd-Verantwortlichen zunächst, ob ihnen die AkteurInnen wohlgesonnen sind – wenn nicht, nimmt die Neigung, Mittel zu bewilligen, spürbar ab. „Die AfD misst weder der gesellschaftlichen Teilhabe noch der individuellen Förderung von Heranwachsenden eine besondere Bedeutung bei“, macht der Ratgeber der Amadeu Antonio Stiftung deutlich. Aus diesem Grund lasse sie sich durchaus als jugendfeindlich bezeichnen, wie das unter anderem der DBJR getan hat: 
„Die AfD ist jugendfeindlich. Sie versteht die Jugend nicht und gibt ihr nicht den Freiraum, den sie braucht“, heißt es in einem Unvereinbarkeitsbeschluss des Deutschen Bundesjugendrings. 


AfD und Schule: Neutralität und politische Bildung

Auch für den Bereich Schule hält die Broschüre wertvolle Ratschläge und Einschätzungen für den Umgang mit der AfD bereit – insbesondere für die Lehrerinnen und Lehrer, die sich in jüngster Zeit mit besonders perfiden Angriffen der Partei auseinandersetzen mussten. 
So rief die AfD in etlichen Bundesländern dazu auf, Lehrende zu denunzieren. 
Neutralität, so sieht es die Partei, bedeute in erster Linie, eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD zu unterlassen. Die eigens von der AfD eingerichteten Meldeportale – Onlinepranger für Lehrkräfte – sollen diesem Ansinnen Nachdruck verleihen. 
Die Broschüre stellt dagegen klar, dass das Neutralitätsgebot für Lehrkräfte nicht bedeutet, ohne politische Meinung zu sein. Genau um die Auseinandersetzung mit verschiedenen politischen Meinungen gehe es in der demokratischen Bildungsarbeit. 
Es gehe zudem um grundlegende Themen wie die Menschenrechte und damit notwendigerweise um die kritische Betrachtung von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und anderen diskriminierenden Positionen – unabhängig davon, ob diese von der AfD oder anderen politischen AkteurInnen vertreten werden. „Kollidieren die Positionen der AfD mit diesen grundlegenden Rechten, ist das kein Problem des Neutralitätsgebots oder der LehrerInnen, sondern der Partei“, stellen die Experten klar.

Die erste Auflage der Broschüre ist bereits vergriffen, die zweite Auflage soll in Kürze erscheinen. 
* Die Amadeu Antonio Stiftung hat ihren Sitz in Heidelberg und wurde 1998 gegründet. Benannt wurde sie nach Amadeu Antonio Kiowa, einem der ersten Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990. 
Die Stiftung will eine demokratische Zivilgesellschaft stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. 
Schirmherr ist der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse."

Quelle:  t@cker-tipps 10/2019, URL: http://tacker-online.de/html/tipps.html




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