BDZ: Lehre am Limit in der Corona-Pandemie!
(Meinung v. Dagmar Bellin, Vorsitzende BDZ BV-Berlin-Brandenburg)
Die Lehre in der Zollverwaltung ist am Limit - und darüber hinaus.
Das meint Dagmar Bellin, Vorsitzende des BDZ BV Berlin-Brandenburg, und begründet diese Auffassung in einem Kommantar:
"Lehrende am Limit
Zur Situation an den BWZ-Standorten
Dies bedeutet für die Standorte Plessow/Lehnin, Leipzig,
Sigmaringen und Münster:
Allein im Verlauf des letzten Jahres wurden die
abzuleistenden Unterrichtsstunden pro Woche und Lehrende/-n teilweise
faktisch um bis zu 50 % erhöht. Ein unhaltbarerer Zustand.
Das stark gestiegene Maß abzuleistender Unterrichtsstunden
lässt sich aber nicht nur an den Einstellungszahlen festmachen. Ein
weiterer Hauptgrund ist die am 29. Juni 2020 in Kraft getretene neue
Arbeitszeitregelung der hauptamtlich Lehrenden. Erfolgte bis Mitte
letzten Jahres noch eine Umrechnung der geleisteten Unterrichtsstunden
auf Zeitstunden zur Bemessung des individuellen Dienstmaßes, so gilt
seither eine Arbeitszeitregelung, wie sie auch für alle anderen
Beschäftigten in der GZD gilt, also ein Gleitzeitrahmen mit einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden (grundsätzlich losgelöst von
einem Unterrichtsstundenmaß). Nach dem „alten“ Model hatten die
Lehrenden im Normalfall eine Unterrichtsverpflichtung von 18
Unterrichtsstunden, die übrigen Zeiten entfielen u. a. auf die
Vor-/Nachbereitung des Unterrichts, die Erstellung und Korrektur von
Klausuren oder das Erstellen und Pflegen von Unterrichtsmaterialien
(bspw. Skripten). Die Lehrenden waren innerhalb dieses Rahmens frei,
wann die Vor-/Nachbereitung zeitlich stattfand.
Die Grundpfeiler des
bisherigen Modells wurden im sog. Einigungsverfahren gefasst, ein
Verfahren, das seinen Ursprung im BPersVG findet und unter Beteiligung
von BMF und Interessenvertretung stattfand.
Die Werte an
Unterrichtsverpflichtung entsprachen im Grundsatz denen, die durch
vorangegangene Prüfungen des Bundesrechnungshofs anerkannt worden sind.
Trotz unmissverständlicher Vorgaben innerhalb des BWZ, dass sich bei der künftigen Einsatzplanung an der bewährten und erprobten Mengengröße von 18 Stunden Unterricht pro Woche zu orientieren ist, stieg die individuelle Unterrichtsbelastung wie oben beschrieben um bis zu 50 %.
Tatsächlich sind diverse Lehrende in Plessow mit 28, 30
und mehr Stunden pro Woche im Unterricht eingeplant worden und das bei
einer 41-h-Woche.
Für Vor-/Nachbereitung bleibt so faktisch kein
wirklicher Raum mehr.
Die Lehrenden erbringen im neuen Arbeitszeitmodell ihre
Stunden an den fünf Wochentagen (Montag – Freitag) in der Zeit von 6.00 –
20.00 Uhr. Wenn damit nun bereits planerisch dreiviertel des
wöchentlichen Stundensolls mit Unterricht geplant sind, dann ist
abzusehen, dass mit notwendigen Vor-/Nachbereitungen die realistische
Arbeitszeit bei 55 und mehr Stunden pro Woche liegt. Alle Arbeitszeiten
werden digital erfasst, was grundsätzlich zum Schutze der Lehrenden zu
begrüßen ist. Durch die viel zu hohen Unterrichtsansätze führt es aber
dazu, dass die Lehrenden ihren Unterricht auch in Zeiten vorbereiten,
welche dann nicht mehr in der Rahmenarbeitszeit liegen und deshalb
arbeitszeitig nicht gewertet werden.
So ist es keine Seltenheit, dass
die Nachwuchskräfte von ihren Lehrenden am späten Abend (gegen 22 Uhr)
oder am Wochenende noch ihre aufgeworfenen Fragen per E-Mail beantwortet
bekommen. Den Lehrenden liegt das Wohl des Nachwuchses am Herzen, die
Nichtanrechnung ihrer Arbeitszeit wird dafür in Kauf genommen, eine
wirkliche Alternative gibt es, mangels Personals, im Moment nicht.
Diesen Offensichtlichkeiten der sich zuspitzenden Lage zum Trotz wurde dann im vergangenen Sommer am Dienstsitz Plessow auch noch entschieden, im Regelfall keine Gastlehrenden anzufordern. Um das Personal bei Arbeitsspitzen besser verteilen zu können, war der Einsatz von Gastlehrenden aber bereits im alten Modell notwendig und wurde erfolgreich praktiziert. Hier wird zur falschen Zeit, am falschen Ende und zum Leid und zu Lasten der Lehrenden gespart.
Dass sich für viele nunmehr eine nicht mehr hinnehmbare
Situation ergeben hat, zeigt sich in vielerlei Form. Die Stimmung in
Plessow/Lehnin und den anderen Ausbildungsstandorten ist auf dem
Tiefpunkt. Überstunden steigen ins Unermessliche, der Krankenstand
wächst peu à peu, zudem leidet auch die Qualität der Ausbildung
darunter.
Es muss sich sofort etwas ändern!
Beim BDZ geführten Gesamtpersonalrat der GZD sind mittlerweile so viele Eingaben eingegangen, dass die Angelegenheit im Rahmen einer gemeinschaftlichen Besprechung der Leitung der GZD vorgetragen wurde. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird GZD intern geprüft, inwieweit hier kurzfristige Maßnahmen ergriffen werden können, um die Situation für die Lehrenden zu entschärfen. Daher wird es in Kürze an allen größeren Standorten des BWZ (die fachtheoretische Ausbildung durchführen) Informationsveranstaltungen geben.
Am 22. Februar 2021 beginnt in der Ausbildung des mittleren Dienstes der Abschlusslehrgang. Die Zeit wird knapp!
Wir erwarten, dass seitens der Verantwortlichen konkrete
Maßnahmen zur Entlastung der Lehrenden ergriffen werden. Außerdem sind
Konzepte notwendig, die den hohen Standard der Ausbildung sichern und
gleichzeitig die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Regelungen für
unsere Lehrenden garantieren.
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
zwischen allen Beteiligten wäre wünschenswert.
Die konsequente Anwendung der Höchstgrenze für wöchentliche Unterrichtsverpflichtungen flankiert von klaren Festlegungen zur Steuerung, ist das, was es jetzt braucht. Zurück also zu einem Deputatsmodell? Nein! Doch ohne einen klaren Ressourcenplanungsansatz des BWZ geht es eben auch nicht. Die Festlegung einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung im realistischen Maße ist unerlässlich; so werden die Lehrenden geschützt und anhand dieser Festlegung kann die Zahl der benötigten Lehrkräfte ermittelt werden, dann wird auch deutlich werden, was im Moment auf Kosten von Überstunden durch das Personal aufgefangen wird: es sind zu wenige Lehrende vorhanden!
Unsere Nachwuchskräfte sind unsere Zukunft. Aber nicht nur sie. Alle, die an ihrer Ausbildung beteiligt sind, gestalten diese Zukunft. Eben auch unsere Lehrenden, deren Anspruch und Ziel es ist, ihre Schützlinge bestens auf das Berufsleben vorzubereiten. Geben wir ihnen die Chance, das auch realisieren zu können, ohne sie dabei oder dadurch zu „verbrennen“.
Dagmar Bellin
Vorsitzende des Bezirksverbands Berlin-Brandenburg"
Quelle: BDZ, URL: https://www.bdz.eu/medien/nachrichten/detail/news/zur-situation-an-den-bwz-standorten.html
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