DPolG: Ein Polizeieinsatz und seine Nachwehen (Kommentar von Joachim Lenders, Erster stellvertretender Bundesvorsitzender)
Der erste stv. DPolG-Bundesvorsitzende Joachim Lenders kommentiert den Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Leipzig und das Presseecho dazu:
"Ein Polizeieinsatz und seine Nachwehen
Kommentar von Joachim Lenders, Erster stellvertretender Bundesvorsitzender
Es gibt Ereignisse, die einen wirklich sprachlos machen. So geschehen, als ich in der ZEIT die Kolumne der Journalistin Mely Kiyak zu den Ereignissen in der Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz gelesen habe.
Unter der Überschrift „Die Polizei hat kein Recht darauf, angebetet zu werden“ philosophiert sie über den aus ihrer Sicht „vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz in der Leipziger Silvesternacht“. Und sie liefert auch umgehend die Begründung für diese Formulierung, denn es handelt sich „um einen alles in allem verstörenden Einmarsch der Polizei in einem alles in allem extrem normal-bürgerlichen Leipziger Stadtteil namens Connewitz“, so die Journalistin.
Offensichtlich ist sie in dieser Nacht natürlich nicht vor Ort gewesen, ansonsten ist es nicht nachvollziehbar, wie man zu derartigen Einschätzungen kommt.
Aber auch die Berichterstattungen mit den Bildern aus dieser Nacht scheinen nicht zu ihr vorgedrungen zu sein. Stattdessen wirft sie sich voller Hingabe an die Seite der neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und verteidigt deren Statement zu dem Polizeieinsatz.
Das als solches darf und kann man gerne tun – vor lauter Verteidigungseinsatz sollte aber so viel journalistische Neutralität und Bodenhaftung bleiben, dass die Gesamtübersicht nicht verloren geht. Aus meiner Sicht ist dann diese Bodenhaftung vollkommen verloren gegangen, als sie sich zu folgender Formulierung hinreißen lässt:
„In einem Polizeistaat ist das Volk seiner Polizei schutz- und rechtlos ausgeliefert.
Deutschland ist aber (noch) keine Diktatur, weshalb alle staatlichen Organe dem Volk gegenüber rechenschaftspflichtig sind.
Damit die Polizei nicht in anti-demokratische Bereiche abrutscht, in denen sie autonom und entfesselt vor sich hin eskaliert, muss jeder Schritt, den sie macht, jeder Tweet, den sie absetzt, jeder Griff zur Waffe akribisch und pingelig beobachtet werden.“
Da sollte sie wirklich akribisch und pingelig beobachten, denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass irgendetwas mit dem Wahrnehmungsvermögen nicht stimmt.
Egal wo man politisch steht (außer vielleicht an den extremen rechten oder linken Rändern), kann man wohl nicht davon ausgehen, dass die Gefahr einer Diktatur in Deutschland besteht.
Die Gefahr, dass unsere Polizei in antidemokratische Bereiche abrutscht und autonom und entfesselt vor sich hin eskaliert, ist wohl auch nicht gegeben. Wie schafft man es also, einen derartigen verstörenden Unsinn zu Papier zu bringen?
Ich persönlich glaube, dass es mittlerweile gesellschaftsfähig geworden ist, sich mit besonders extremen Positionen Gehör verschaffen zu wollen. Anstatt jegliche Art der Gewalt öffentlich zu ächten, wird sie heruntergespielt, verharmlost, verniedlicht. Ist doch alles halb so schlimm – die Gewalt richtete sich doch nur gegen Einsatzkräfte der Polizei – das ist doch deren Job und gut geschützt sind sie obendrein doch sowieso mit ihrer Schutzausstattung. Da darf man doch wirklich mal fragen: Geht’s noch?
Wie perfide und abstrus muss man eigentlich unterwegs sein, um Gewalt gegen Menschen – Einsatzkräfte der Polizei gehören auch dazu – zu verharmlosen?
Eigentlich sollte man einen öffentlichen Aufschrei erwarten, zumindest ein paar Leserbriefe, die versuchen, das offensichtlich fehlende Koordinatensystem wieder geradezurücken. Nichts dergleichen ist meiner Kenntnis nach passiert. Nun bin ich persönlich kein Abonnent der ZEIT – wäre ich einer gewesen, hätten sie jetzt einen Abonnenten weniger.
Und das setzt sich an dem Beispiel des Polizeieinsatzesin der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz fort. Der Hamburger Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg, Rafael Behr, lässt in einem Interview den interessierten Leser wissen, dass es für ihn an Hetze grenzt, wenn der Leipziger Polizeipräsident die Gewalttäter aus dem linksautonomen Bereich als Verbrecher betitelt, die unsere Kolleg(inn)en vor Ort angegriffen haben.
Ich kann dem Leipziger Polizeipräsidenten nur beipflichten:
Ja, das sind Verbrecher, die mit einer derart hohen Gewaltbereitschaft gegen Einsatzkräfte vorgehen. Und wenn wir uns an der Begrifflichkeit des Verbrechenstatbestands orientieren, bleibt es dort auch bei dem Verdacht eines Verbrechens.
Eine schwere Körperverletzung ist ein Verbrechenstatbestand.
Aber auch hier soll verharmlost werden. Der Herr Polizeiprofessor aus Hamburg wirft „den Gewerkschaften“ vor, lediglich Lobbyarbeit zu betreiben und dass sie keine Experten aus der Polizeipraxis seien.
Wie gut, dass wir einen derartigen praxisorientierten Polizeiprofessor in Hamburg haben und eine investigative Journalistin – zwei ausgewiesene Experten erklären uns die Welt!
Da muss man sich keine Sorgen mehr machen – es läuft schon ... (aus dem Ruder)."
Quelle: DPolG, Der Polizeispiegel 3/2020, S. 3, Leitartikel, URL: https://www.dpolg.de/fileadmin/user_upload/www_dpolg_de/pdf/2020/Leitartikel_Lenders.pdf
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